Ausgabe 37
(Beilage)

3. Quartal 1999

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Glückliches Rheinland-Pfalz
oder
Die Crux mit den Preisen

1.) ELS-Lyrikauszeichnung

Mit Lyrik wird man nicht reich. Die Dichterin Else Lasker-Schüler sei hier nur exemplarisch angeführt. Deshalb sind Literaturpreise besonders wichtig, weil sie die Arbeit der Poeten unterstützen. Ohne solche finanziellen Ehrungen wären die Dichter mehr oder weniger Hungerleider.
Und daß wir in dieser Welt der täglichen Negativschlagzeilen und Brutalo-oder Seichtprogramme auf vielen Mattscheiben mehr Posie brauchen,
läßt sich wohlkaum bestreiten.
Deshalb sind Auszeichnungen für die Künstler auch für ihre Rezipienten wichtig.
Eigentlich hätte 1999 der Else lasker-Schüler-Lyrikpreis vergeben werden sollen, wenn wir im selbstgewählten Rhythmus von zwei Jahren geblieben
wären. Wenn...
Gewollt hätten wir schon, doch die 30.000 DM für den Haupt- und 10.000 DM für den Förderpreis, der auch für vertonte Lyrik an Komponisten
vergeben werden kann, waren einfach nicht zu beschaffen. Industriefirmen, die wir als Sponsoren gewinnen wollten, haben uns einen Korb gegeben.
Kultur hat(te) es (immer schon) schwer...
Aus eigenen Mitteln ist mit unserem ungewöhnlich niedrigen Jahresbeitrag (30,-DM für Einzelpersonen, 50,--DM für Paare und 15,-- DM für Schüler, Studenten und Arbeitslose) eine solche Auszeichnung nicht finanzierbar.
(Mit den Mitgliedsbeiträgen werden Veranstaltungen, die Infobriefe bezahlt, Porto, Telefon, Fax - die gesamte Arbeit ist ehrenamtlich, verschlingt also auch keine einzige Mark für Verwaltung.)
Vater Staat ist -mindestens bei unserer Thematik, ein Stiefvater. Die sogenannte öffentliche Hand hat uns noch kaum etwas gegeben und ist jetzt sowieso leer. Mit anderen Worten: Von Staat, Land oder Kommune ist für den ELS-Preis kein roter Heller zu haben.

2.) Hans Sahl-Preis
Ende September/Anfang Oktober soll im Literaturhaus Berlin der diesjährige Hans Sahl-Preis verliehen werden. Die bislang mit 20.000 Mark dotierte Auszeichnung wurde bislang von der Deutschen Bank gesponsert. Doch läuft diese Finanzierung dem vernehmen nach in diesem Jahr leider aus. "Wie es weitergehen soll, wissen wir nicht", erklärt die sonst so resolute Beate Schmeichel-Falkenberg vom "Freundeskreis Hans Sahl".
Der 1902 in Dresden geborene Sahl, der Else Lasker-Schüler in Berlin kennengelernt hat, ist als letzter großer Autor unter den Emigranten in den 80er Jahren nach Deutschland zurückgekehrt, nachdem ein erster Versuch der Wiedereinbürgerung am Desinteresse hierzulande, vor allem der Gruppe 47, gescheitert und der deutsche Jude Sahl noch einmal für ein paar Jahre in die USA zurückgegangen war.
Hans Sahl verdanken wir die Bekanntschaft mit den Theaterstücken der bekanntesten amerikanischen Dramatiker dies Jahrhunderts (Thornton Wilder u.a.), die vor allem er (und als erster) übersetzt hat.
Sahl rief uns vor dem Start der "Dichterlesungen in Asylbewerberheimen" an, mit denen wir 1992 gegen die Brandanschläge protestieren und die unbeteiligten, desinteressierten Bürger in die Heime holen wollten. Er sei sterbenskrank und wisse nicht, wie lange er noch zu leben habe. Deshalb wolle er unbedingt bei "dieser besten Aktion, von der ich seit langem in Deutschland gehört habe" mitmachen, "ehe es zu spät ist".
Er machte mit - und erlebte unseren Dank leider nicht mehr, die Ehrenmitgliedschaft in der ELS-Gesellschaft. Die Mitteilung darüber hatte ihn aber kurz vor seinem Tod noch erreicht und Freude bereitet.
Hans Sahl starb am 26.April 1993. Seine Gedichtzeile "Wir sind die letzten, fragt uns aus" ist ein vielbenutztes Zitat geworden.

3.) ELS-Dramatikerpreis
Nicht das Bundesland Nordrhein-Westfalen, in dem bekanntlich Wuppertal liegt, die Geburtsstadt von Else Lasker-Schüler , sondern Rheinland-Pfalz
verleiht einen nach der Dichterin benannten Preis. Und zwar den Else Lasker-Schüler-Dramatikerpreis. Die Geburtsstadt von ELS vergibt zwar einen Kulturpreis, doch der ist nach dem Kunstmäzen Eduard von der Heydt benannt -und das wird wohl auch so bleiben, obwohl dem Baron aus Elberfeld böser Antisemitismus und Unterstützung von Hitlers NSDAP nachgesagt werden.

Rheinland-Pfalz bezahlt die Preisgelder - 30.000 für den Haupt- und 10.000 Mark für den Förderpreis - aus öffentlichen Mitteln, mit "Staatsknete" also. Das ist vorbildlich, denn auch die Dramatiker erschreiben sich mit ihren Werken keine Reichtümer. Sie bedürfen der Förderung ebenso wie die Lyriker.
Else Lasker-Schüler hatte zwar mit Rheinland-Pfalz nichts zu schaffen. Um so lobenswerter, daß Ministerpräsident Kurt Beck persönlich am 31. Mai in der Staatskanzlei die Preise an die Autoren Goetz und Kopetzky aushändigte. Mit dem Stückepreis verbunden ist das Angebot, als Hausautor am Pfalztheater (Kaiserslautern) tätig zu sein.


Semanario Israelita
endgültig eingestellt

Schiffspost ist lange unterwegs. Aus Buenos Aires schickte uns Erika Blumgrund die letzte Ausgabe des "Unabhängigen Jüdischen Wochenblatts", einzige deutsch-jüdische Zeitung Südamerikas. Sie trägt das Datum des 16. April 1999.
30 Jahre lang hatte das argentinische Pendant zum New Yorker "Aufbau" die jüdischen Flüchtlinge und Einwanderer aus Europa informiert. Zwei Jahrzehnte davon war Werner Max Finkelstein Chefredakteur der Zeitung, die er jetzt "lieber mit wehenden Fahnen" untergehen lassen wollte als ein "langes Dahinsiechen mitanzusehen".
Das "Wochenblatt" erschien längst zweisprachig, also in deutsch und
spanisch. Erika Blumgrund, gehörte zum Autorenkreis der Zeitung.
Sie stammt aus dem tschechoslowakischen Bratislava. Deutsch war ihre Muttersprache.
Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft hat die Dichterin, Malerin und Journalistin Erika Blumgrund zusammen mit ihrem Mann Ladislav zum VII.ELS-Forum nach Wuppertal eingeladen. Ihr Schicksal steht nicht nur für viele andere, sondern auch im Zusammenhang mit unserer Veranstaltung, die vom 11. bis 14. November 1999 in Wuppertal und Solingen stattfindet. Titel "Letzte Enklave der Poesie. Dichtung, Miusik und Malerei in Theresienstadt".
Ladislav und Erika Blumgrund waren nach Theresienstadt verschleppt worden. Beide haben den Naziterror überlebt. Ihre Angehörigen wurden fast alle ermordet.
Nach der Befreiung von den Nazis erlebten die Blumgrunds den Terror der Stalinisten und wanderten nach Argentinien aus. Er arbeitete als Chemiker. Sie trug zum Unterhalt der Familie mit drei Kindern als Gymnastiklehrerin bei. Als Autorin für Emigrantenzeitungen auf dem gesamten amerikanischen Kontinent waren kaum nennenswerte Honorare zu verdienen, auch nicht mit eigenen Gedichten, erst recht nicht mit Übersetzungen des "Theresienstadt"-Requiems oder von Gedichten Else Lasker-Schülers , die unter der Sammelüberschrift "De Mi Piano Azul"
in Spanien in der Zeitschrift "Raices" (Revista judia de cultura) in der Ausgabe 27 1996 publiziert worden sind.

Hier also das Titelgedicht
Mein Blaues Klavier
-übersetzt von Erika Blumgrund:

Mi Piano Azul

Tengo en casa un piano azul
sin saber una nota siquiera.

Está entre las sombras del desván
desde que embruteció el mundo.

Estrellas solian tocarlo a cuatro manos
-la dama-luna cantaba en su barca-
ahora al son de su tintineo bailan las ratas.

Su teclado está roto...
Yo lloro este cadáver azul.

Oh, queridos ángeles, abrid para mi
-ya he comido del pan amargano-
abrid para mi los portones del cielo
aunque esté prohibido en vida.

Else Lasker-Schüler


Rettungsaktion für den "Aufbau"
Chaja Koren heißt die neue Herausgeberin des "Aufbau" in New York, der letzten deutschsprachigen Zeitung in den Vereinigten Staaten. Sie hat jetzt alle Leser und Freunde zur Unterstützung aufgerufen:
"Sie können uns mit Spenden, Abonnements oder Anzeigen helfen."
Frau Koren ist seit dem vorigen Jahr Chefin des von ihr gegründeten "Dr. Orgler-Verlags" in Frankfurt am Main, der sich insbesondere mit Literatur zum Holocaust und zu Israel befaßt. Stolz ist die in Israel geborene Verlegerin, die in der Goethe-Stadt zur Schule ging und dort ihr Abi machte, auf die Kalenderreihe "Jüdische Frauen im Spiegel der Geschichte".
Wie Thomas Mann haben viele prominente deutsche Emigranten für das Traditionsblatt geschrieben. Doch im Laufe der Zeit verließen die Leser
diese Erde und damit die Zeitung. Die Kundschaft überalterte. Die Auflage ging rapide zurück.
Rettungsversuche gab es immer wieder. Dazu gehört, daß der "Aufbau" inzwischen zweisprachig erscheint, also auch englische Texte veröffentlicht. Zeitweise war Uwe Westphal, Sekretär des P.E.N. Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland (London) Chefredakteur am Broadway in New York, wo die Zeitungsredaktion angesiedelt ist in einem Ambiente, das in einem liebenswerten Sinne fast schon museal wirkt - eine Atmosphäre, die den Geist und die Schwierigkeiten der Flüchtlinge konserviert zu haben scheint.
Wäre nicht das Auswärtige Amt der BRD mit einer garantierten Abnahme, hätte die Zeitung schon längst aufgeben müssen. Zum 65jährigen bestehen erscheint ein Jubiläumsausgabe in anderem Format: Die Herausgeberin verspricht "Modernisierung" und Inhalte, "die einem neuen Umfeld angepaßt werden. Brisante Themen aus aller Welt, wie z.B. die Zukunft des ultra-orthodoxen Lebens sollen beleuchtet werden. Briefe aus den jüdischen Gemeinden der verschiedensten Länder werden das Interessengebiet erweitern. Aktuelle Berichte über die Kunstwelt in New York sind durchaus für jüngere Zielgruppen von Interesse."
Bleibt zu hoffen, daß auch die Berichterstattung kritischer und kühner wird. Uwe Westphal war über eine Glosse gestolpert. Darin hatte er jene
Steubenparade-Teilnehmer karikiert, die als Einwanderer oder Gäste aus Germany alljährlich in New York stramm mitmarschieren.
Daß Willy Brandt, der Friedensnobelpreisträger, sich an so einer Parade beteiligt hatte, wurde dem entlassenen Chefredakteur als Spiegel vorgehalten. Dabei war es doch eigentlich eher ein Beispiel für die Toleranz von Willy Brandt. Aber hat der sich nicht damals den Vietnam-Demonstrationen verweigert? Von Europas Regierungschefs ging nur Olof Palme auf die Straße. Klar aber auch, daß der Ministerpräsident aus Stockholm nie bei den deutschtümelnden Steuben-Paraden antrat. Er kam jedoch auch nicht zu den Festivitäten der Amerika-Schweden in Chikago.

Alles Geschichte und Geschichten. Auswanderer sehen die ehemalige Heimat immer anders, meistens verklärter, egal, aus welchen Gründen sie
ihr Land verließen. Dem "Aufbau" bleibt eine kritische Feder und ein langes Erscheinen zu wünschen.
hajo jahn


Bekanntmachung
Veränderter Termin der
IX. Tagung "Frauen im Exil"
vom 21.-24.Oktober 1929
Thema: Frauen erinnern
da zum gewohnten Termin am letzten Oktoberwochenede ein Symposium in Ravensbrück in Zusammenarbeit mit einer Frauen-AG an der Humboldt-Universität zum Thema ""Gedächtnis und Geschlecht" stattfindet, wurde die diesjährige Frauen-Exil-Tagung um eine Woche vorgezogen auf das vorletzte Wochenende im Oktober.
Das Programm der Exil-Tagung konzentriert sich auf Probleme des Erinnerns und Gedenkens, des Vergessens und Verdrängens sowie die aktuellen Debatten dazu in Deutschland.
Ein weiterer Schwerpunkt, eng damit verbunden, wird die Weise der Vermittlung des Holocaust und seiner Folgen an künftige Generationen sein.
Vorträge halten: Dr. Inge Hansen-Schaberg (etwas erzählen-etwas hören-etwas vermitteln), Dr. Ute Benz (Erinnerung als Chance und Risiko. Zur Psychodynamik traumatischer Erfahrungen), Ariane Feustel (Alica Salomon: Unausgetragene Konflikte und erwünschtes Erinnern), Prof. Birgit Rommelspacher (Der Nationalsozialismus im Erleben der jüngeren Generation), Prof. Silvia Schlenstedt (Das literarische Gedächtnis), Prof. Hanna Papanek (Spiegel und Schattenspiel: Vom Wiedersehen des Erlebten).
Die unterschiedlichen Sichtweisen des Widerstands und der Verfolgung von Frauen in der NS-Zeit werden dargestellt für die DDR von Dr. Simone Barck, für die alte BRD von Dr. Juliane Wetzel.
Zwei Zeitzeuginnen werden über "Mein Leben nach der Shoah" sprechen. Im rahmenprogramm werden zwei neue Filme gezeigt, einer über Lisa Fittko (Constanze Zahn) und ein anderer über "Gerettete und Retter" (von Merle Kröger und Ed van Megen).

Informationen: Beate Schmeichel-Falkenberg, Friedland-Björkas, PL 198 - S-430 17 Skällinge, Schweden

CALL FOR PAPERS:
"Frauen im Exil" -Tagung 2000

Die X. Tagung "FRAUEN IM EXIL" wird vom 27. - 29. Oktober 2000
in der Moritzburg in Halle/Saale stattfinden. Das Thema wird sein: "Bildende Künstlerinnen und Kunsthistorikerinnen im Exil".

Im Mittelpunkt werden Werk und Leben von kunstschaffenden Frauen und Theoretikerinnen stehen, die verfolgt, verboten und zur Emigration gezwungen wurden. Diskutiert werden dabei folgende Fragen: Warum waren Frauen weniger in den Bereichen der Klassischen Künste - Malerei, Skulptur und Architektur - tätig und arbeiteten vermehrt in den Angewandten Künsten und mit der als künstlerisches Medium noch jungen Fotografie?
Wie wirkt sich diese Tatsache auf das Exil aus? Was führte zum "Verschwinden" kunstschaffender Frauen im Exil? Was zeichnet die Kunsthistorikerinnen im Exil aus, die durch ihre Ausbildung in Deutschland Chancen hatten, in ihrem Beruf zu arbeiten und sich an der Genese des Faches, z. B. in England und in den USA zu beteiligen?
Eine weitere Sektion wird sich mit der künstlerischen Produktion emigrierter Frauen heute beschäftigen.

Für Ideen, Anregungen, Hinweise und Beiträge sind wir dankbar.
Beate Schmeichel-Falkenberg
Dr. Rosa von der Schulenburg


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