Ausgabe
55
1. Quartal 2004
" Ich habe zu Hause
ein blaues Klavier |
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Sehr
geehrte Damen und Herren, am
Holocaust-Gedenktag (27. 1. 2004) wird in der Berliner Vertretung des
Saarlandes die (Buch-)Ausstellung „Liebes- und Musengeschichten
- das fragile Glück im Unglück von Verfolgung und Exil“
eröffnet. Die Erstausgaben, Widmungsexemplare, Autografen und Fotos
„verbrannter Dichter“ aus der „Sammlung Serke“
wurden beim XI. Else-Lasker-Schüler-Forum in Wroclaw/Breslau vorgestellt
und sind ab 16. Oktober 2004 im Klementinum der Nationalbibliothek Mittelpunkt
des XII. Forums in Prag.
Damit
es nicht bei solchen Unverbindlichkeiten bleibt, hat Ralph Giordano,
an Erika Steinbach geschrieben. In seinem Brief an die Vorsitzende des
Bundes der Vertriebenen stellte er unser Zentrums-Projekt vor. Und in
einer TV-Reportage von „3sat“ über das Else-Lasker-Schüler-Forum
hieß es: „Breslau, die polnische Stadt mit den deutschen
Wurzeln, könnte eine integrierende Rolle einnehmen, zu einem Straßburg
an der Oder werden... Was ist los mit den Polen? Das fragen
sich viele in Deutschland. Was ist los mit den Deutschen, fragen sich
noch mehr Menschen in Polen. Die Debatte um ein Zentrum gegen Vertreibungen,
aber auch schon die Diskussion um den Irak-Krieg, hat die beiden Länder
voneinander entfremdet. Wohin haben die Entspannungspolitik und deutsch-polnische
Ver- söhnungsarbeit geführt? Über diese Fragen diskutierten
der deutsche Innenminister Otto Schily, der ehemalige Außen-minister
Polens, Wladislaw Bartoszewski, die Publizisten Helga Hirsch und Karol
Sauerland beim deutsch-polnischen Forum in Breslau. Hier wurde auch
die Ausstellung des Wuppertaler Lasker-Schüler-Forums über
Deutschland und seine verbrannten Dichter in einem der schönsten
Häuser der Stadt eröffnet. Die Ausstellung gedenkt der von
den Nazis verfolgten und vertriebenen deutschen Autoren. ‚Viele
dieser Schriftsteller deren Bücher hier aus-gestellt sind, kommen
ja aus Schlesien’, sagt der Autor Jürgen Serke: Aus Berlin ist Otto Schily zum Forum angereist, die deutsch-polnischen Differenzen werden buchstäblich mit dem Körper ausgetragen. Die Diskussion über die Ängste und Hoffnungen von Deutschen und Polen’ landet unausweichlich beim Zentrum gegen Vertreibungen. Deutsche, die langjährige Freundschaften mit Polen pflegen, sind enttäuscht darüber, daß sich so viele der Diskussion entziehen, wie die Publizistin Helga Hirsch. Bartoszewski unterstreicht erneut seine Ablehnung des Vertriebenen-Projektes. In kürzester Zeit sei so viel Porzellan zerschlagen worden, dass es in 10 Minuten nicht wieder zu kitten sei. Otto Schily zeigt sich im Grundsatz dafür, dass wir angesichts der Tatsache, dass Vertreibungen leider auch noch ein Thema der Gegenwart sind, uns mit diesem Thema auseinandersetzen.’ Er schlägt eine Geschichtswerkstatt’ vor, einen Austausch der Geschichtslehrer beider Länder. Ein Mahnmal erinnert an den in Breslau geborenen Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, das Museum im Rathaus an einstige Bewohner wie Edith Stein, Ferdinand Lassalle und Gerhard Hauptmann. Doch mit einer differenzierten Wahrnehmung kommen auch die Schattenseiten der polnischen Geschichte zum Vorschein. Die heftigen Emotionen sind, so der Warschauer Intellektuelle Karol Sauerland, ein polnischer Abwehrreflex: Bisher stand es gleichsam fest, die größten Opfer waren die Juden, dann kommen die Polen, und die Deutschen waren eigentlich nur Täter. Jetzt stellt sich heraus, dass die Deutschen auch Opfer waren und es stellt sich heraus, dass die Polen nicht nur Opfer, sondern auch Täter waren.’ In diesem Diskurs habe man den Eindruck, dass ein Wettbewerb um die Opferrolle entstehe’ so Prof. Sauerland“.
Mit seinen Eltern war er als Kind von den Nazis über Paris nach Moskau geflohen, wo Stalins Geheimdienst den Vater, einen jüdischen Kommunisten, erst einsperrt und dann erschießt. Nach dem Ende der Nazidiktatur geht Karol Sauerland ins angeblich bessere Deutschland, in die DDR. Vor deren kleinkariertem Mief im flüchtet er nach Polen. Das ist zwar auch eine Diktatur, nur die Menschen sind lebensfroher. Heute fühlt sich Karol Sauerland heimisch zwischen Bug und Rhein. Nach
Breslau eingeladen hatten ELS-Gesellschaft und –Stiftung
etwa 100 Jugendliche: Schüler aus dem tschechischen Olmütz,
die sich im Deutschunterricht am Beispiel Judith Kerr mit jüdischen
Minder-heiten, Antisemitismus, Emigration und Exil befasst hatten. Aus
Freiburg angereist war die Realschulklasse, die den Internetwettbewerb
„Exil-Club“ gewonnen hat. Und das Abschlusskonzert im Funkhaus
von Wroclaw gestaltete der Musiker Manfred Lemm mit Mädchen und
Jungen aus Israel, Tschechien, der Slowakei, Polen und Deutschland.
Der Deutschlandfunk berichtet bundes-weit am 27. Januar 2004 von 21.05 h bis 22.50 h und der 6. ELS-Almanach wird die Vorträge von Wroclaw publizieren. Wir bedanken uns bei allen, die das Forum ermöglicht haben und nach Polen kommen konnten. Ihnen und allen Mitgliedern wünschen wir ein gutes neues Jahr 2004. Herzlich Ihr Hajo Jahn
PS: Das literarische Programm-Magazin (200 Seiten) und das Begleitheft zur Ausstellung ist für € 5.- / € 2,50 (incl. Porto u. Verpackung) über die ELS-Gesellschaft, Herzogstr. 42, D-42103 Wuppertal, zu beziehen. Korczak-Denkmal In Günzburg, das immer noch am "monströsen Schatten" des KZ-„Arztes“ Josef Mengele leidet – er stammt aus dieser Stadt - wurde auf Initiative des Kinder- und Jugendtheaters "Experimentelles Theater Günzburg", des Maria-Ward-Gymnasiums und der Deutschen Korczak-Gesellschaft ein einzigartiges Denkmal für den polnisch-jüdischen Pädagogen, Schriftsteller und Kinderarzt Janusz Korczak errichtet.
Entworfen hat das Denkmal ein ehemaliger Schüler Korczaks, der heute in Israel lebende Bildhauer und Maler Itzchak Belfer. Die Bronzeskulptur zeigt Korczak, umringt von 16 Kindern. Finanziert wurde das Denkmal ausschließlich aus Spenden, der Künstler musste für Aufenthalt und Anreise selbst aufkommen - so die „Frankfurter Rundschau“ vom 2.12.2003. Einen (kleinen) Beitrag dazu spendete die ELS-Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter/Künstler - für ein Zentrum der verfolgten Künste". Kein Geld kam von der Stadt Günzburg, die jahrzehntelang einen Mantel des Schweigens über die eigene NS-Vergangenheit und den Auschwitz-Selektierer Mengele bereitet hat - er steht für tausendfachen Mord, perverse „Forschung“ über körperliche Abnormalitäten und Zwillinge. Hintergrund der Haltung des offiziellen Günzburg: Lange Zeit war die Maschinenfabrik Mengele wichtiger Wirtschaftsfaktor; nach Mitgliedern der Familie sind Straßen und eine Wohnsiedlung benannt. Obwohl die Fabrik 250 Zwangsarbeiter beschäftigt hatte, gab die Familie keine Beitrag in den Entschädigungsfonds; Dieter Mengele „sah sich nicht in der Verantwortung“ (FR). Armutszeugnis zum Wegsehen Die Stadt Wuppertal hat sich endlich entschieden, eine Art Denk-Mal einzurichten, das an die ersten Bücherverbrennungen im heutigen Nordrhein-Westfalen vom 1. April 1933 erinnern soll. Nicht einmal geschenkt wollte die Geburtsstadt von Else Lasker-Schüler ein Mahnmal am Ort des Geschehens haben: Vor dem Rathaus (in W.-Barmen). Mit formalistischen Begründungen war eine Lichtinstallation des Münchner Künstlers Wolfram Kastner 1998 abgelehnt worden. Ein erneuter Vorstoß zum 70. Jahrestag der Bücherverbrennungen 2003, basierend auf einem Antrag der FDP-Ratsfraktion und ebenfalls wieder als Geschenk, wurde vom CDU-Partner nicht mitgetragen; Christ-demokraten und Liberale bilden als Mehrheit im Wuppertaler Rat eine Koalition. Auch die PDS wollte am authentischen Ort ein Erinnerungszeichen. Doch die SPD-Oppositionsfraktion favorisierte den Vorschlag der Stadtverwaltung, der sich im Rat durchsetzte: Eine Plakette am Eingang der Stadtbibliothek (in W.-Elberfeld). Sie soll dort angebracht werden in Erinnerung an die „schwarzen (Bücher-) Listen“. Insofern haben die permanenten Aktionen der ELS-Gesellschaft einen Erfolg. Ob der Tafeltext darauf hinweisen wird, wo die tatsächlichen Bücherverbrennungen stattfanden, steht dahin. Ein angemessenes Zeichen zur Erinnerung an die Schande müsste anders wahrzunehmen sein, müsste irritieren und zu tätiger Erinnerung herausfordern. Jetzt wird dagegen ein Zeichen gesetzt, das der verbreiteten Neigung zum Übersehen entgegenkommt. Damit, immerhin, ist Wuppertal jedoch ein Schrittchen weiter als rd. 40 andere Städte in Deutschland, in denen nichts an die Bücher-Scheiterhaufen erinnert. Nur 10 Kommunen haben damit keine Schwierigkeiten, darunter Berlin und Köln. In der Domstadt ist auch Else Lasker-Schüler als „verbrannte Dichterin“ aufgeführt. ELS-Preis für Elfriede Jelinek In
der Staatskanzlei Mainz richtete Ministerpräsident Kurt Beck am
20. November 2003 eine eindrucksvolle Feierstunde zur Verleihung des
Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreises aus, der alle zwei Jahre
im Auftrag der Kultur-Stiftung Rheinland-Pfalz vergeben wird. Den Hauptpreis
erhielt am 20. November 2003 Elfriede Jelinek.
Der
„Stückepreis“ ging an Claudius Lünstedt. In einer
Begleitausstellung wurden Collagen, Acrylbilder und Objekte von Karin
Goetz gezeigt, Titel „Else Lasker-Schüler – Jerusalem“.
Ironie der Geschichte: Weder in Wuppertal noch in Nordrhein-Westfalen
oder gar Berlin gibt es einen Else-Lasker-Schüler-Preis; mit Rheinland-Pfalz
verbindet die Dichterin jedoch kaum etwas. Streit um Bremer Friedenspreis „Es geht um meine Reputation, um meinen guten Ruf“, sagt der in Bremen lebende britische Germanist und Literaturwissenschaftler Martin Rooney (Mitglied der ELS-Gesellschaft). Deshalb hat er den Verein „Villa Ichon“ verklagt, der im Internet behauptet, sein „Kultur- und Friedenspreis 2003 geht als Spende an die Kriegskinder im Irak“. Tatsächlich hat derselbe Verein den Preis samt Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro Dr. Rooney zugesprochen. Weil der „streitbare Pazifist“ (Weserkurier), der sich Verdienste im Kampf um die Verdrängung des Genozids an den Armeniern in der Türkei und um das Werk von Armin T. Wegner erworben hat, sich über die Demonstrationen gegen den Irak-Krieg echauffierte, empörte sich der Villa Ichon-Vorstand. Er ließ Rooneys Namen aus den offiziellen Schriftstücken seines Vereins entfernen und die obskure Behauptung im Internet verbreiten, gegen die jetzt geklagt wird. Tatsache ist: Rooney hat den Preis samt Geld erhalten. Aber diesmal ist seine kritische Haltung unerwünscht. Aus Bewunderern wurden Gegner, die mit ihrem Demokratieverständnis jetzt bereuen, einen Mann ausgezeichnet zu haben, der andere politische Ansichten vertritt als sie. Vereinsinterner Ulla
Hahn und Jirí Gruša Klaus Becker, stellvertretender Vorsitzender der ELS-Gesellschaft, bat nach sechs Jahren um Entbindung von diesem Ehrenamt, um sich seinen gewachsenen Pflichten bei der Lehrerausbildung in Düsseldorf widmen zu können. Aus ähnlichen Gründen kandidierten der bisherige Schatzmeister Her-bert Beil, Pressesprecher Christian Sabisch sowie die Beisitzerinnen Wendla Boettcher-Streim und Renate Dohm nicht mehr. Herbert Beil und Christian Sabisch bleiben weiterhin im Vorstand der ELS-Stiftung aktiv. Hajo Jahn dankte im Bericht über ein „ereignisreiches Jahr 2003 mit zahlreichen Einzelveranstaltungen und dem zum 11. Mal in Folge durchgeführten Forum“ allen Mitgliedern, besonders seinen bisherigen Vorstandskollegen „für die bisherige Tätigkeit und für ihr Engagement in schwierigen Zeiten bei ihrer ersten Wahl im Jahre 1997“. Auf der von Klaus Becker souverän geleiteten Hauptversammlung am 9. Dezember 2003 in Wuppertal wurden wiedergewählt: Hajo Jahn, Vorsitzender, Schriftführerin Anne Grevé, Beisitzer Monika Fey, Prof. Manfred Brusten sowie die Autoren Ulla Hahn und Jirí Gruša. Neu in den Vorstand gewählt wurden: Heiner Bontrup, stellvertretender Vorsit-zender, Monika Knopp, Schatzmeisterin, sowie als Beisitzer Dorothee Kleinherbers-Boden und Wolfgang Drost. Kassenprüfer wurden Dietrich Gafert und Gerd Stock. Das Rahmenprogramm der von etwa 50 Mitgliedern besuchten Versammlung gestaltete die japanische, in Deutschland lebende Künstlerin und Friedensaktivistin Rie Shiikawa: In asiatischer Else Lasker-Schüler-Kostümierung, mit eigenen Kompositionen am Blauen Klavier und mit Butoh-Tanz. - Die Anwesenden beschlossen die Anstellung von Ulrike Müller für das Internetprojekt „Exil-Archiv“ mit Hilfe der BfA, Eigenmitteln und Spenden – dafür ein herzlicher Dank an dieser Stelle allen Unterstützern. Neue Mitglieder: Reinhard Strecker, Berlin; Oliver Brauer, München, Martin Leistner, Bremen, Korinna Scheidt, Bonn, Dorothea Eppen und Norbert Uhlenbrock, Uelzen; Hiltraut Deckert; Eva-Maria Holte beide Düsseldorf; Margret Hoffmann, Ratingen; Christoph Gödel; Eva Wieczorek, Potsdam; Karin Karschner, St. Augustin; Anna-Lisa Wiesbroch, Rietberg; Franziska Lauer, Görlitz; Dr. Bärbel Gafert, Berlin; Antonie Gurg-Zündorf, Ratingen; Ingeborg Messler, Lübeck; Maria Ostendorf, Bakum/Vechta; Rosita Dienst-Demuth, Vogts-burg; Gerhild Bär, Fürstenfeldbruck; Lisa Cash, Ari Nermin sowie Marianne und Rolf Kampschulte – alle Wuppertal; Doris Ihl, Wroclaw; Armin Piepenbrink-Rademacher, Bielefeld; Jochen Meibrink, Rheinbach; Stefanie Zweig, Frankfurt/M. Ausgeschieden: Sabine Göpfert, Messel; Kerstin Miersch-Sokolowski und Katja Henkel, Berlin; Ortrun Heimann, Schinkel; Alexander Marinos, Wetzlar; Roman Weg-mann, Schwalmtal; Karla Schatzschnei-der, Bonn; Günther u. Inge Finkenrath, Burscheid; Wolf Becher, Köln; Hans-Jürgen Lichtenberg; Ingrid Henkels und Friedhelm Büchele, Wuppertal. Forum
der Kreativen
In der Vergangenheit hat der Weltverband nicht immer kritisch auf Verfolgung von Dichtern in den verschiedenen Ländern reagiert, sondern eher weggeschaut. Die ELS-Gesellschaft gratuliert ihrem langjährigen Vorstandsmitglied und wünscht ihm Erfolg in dieser neuen Funktion – die verfolgten Autoren von heute dürften in ihm einen Anwalt finden. Endlich:
Werkausgabe E. Hilsenrath Der am 2. April 1926 geborene Schriftsteller - der als 12jähriger mit Mutter und Bruder nach Rumänien flüchtete, 1945 in ein Ghetto in der Ukraine gelangte, nach dem Überleben zunächst in Palästina, später in den USA lebte und dann doch nach Deutschland kam, weil er die Sprache dieses Landes liebt - ist einer der wichtigsten jüdischen Holocaust-Autoren und einer der wenigen deutschsprachigen Schriftsteller, die international anerkannt sind. Doch „eine Folge von drei Schlaganfällen im Jahre 1992 riss Hilsenrath aus seinem kreativen Schaffen. Seitdem ist er Invalide, das mühsam aufrechterhaltene Schreiben ein Rinnsal“ – so Helmut Braun, der Herausgeber der Werkausgabe. Trotz aller Verkaufserfolge von Romanen wie „Der Nazi und sein Friseur“ oder „Das Märchen vom letzten Gedanken“ ist Hilsenrath „als Marktgröße für Großverlage nicht mehr von Interesse, fällt er aus dem Buchmarkt heraus. Es gilt, das grandiose, zur Weltliteratur zählende Werk für Gegenwart und Zukunft zu retten. Für kommende Generationen müssen seine Erfahrungen und Erzählungen bewahrt werden, sie gehören in unser kulturelles Gedächtnis.“ Eine Werkausgabe bietet hier eine Chance – und Sie alle, unsere Mitglieder, aber ebenso Förderer, Buchhandel und Medien müssen zusammenwirken, „um diese große Aufgabe zu bewältigen“. Edgar Hilsenrath wurde u.a. mit dem Alfred-Döblin- und dem Hans-Sahl-Preis ausgezeichnet (Hans Sahl ist das einzige Ehrenmitglied der ELS-Gesellschaft). Zu Hilsenraths Werk gehören u.a. die Romane Nacht, Moskauer Orgasmus, Jossel Wassermanns Heimkehr, Die Abenteuer des Ruben Jablonski, die Satiren Zibulsky oder Antenne im Bauch, Erzählungen, Glossen und Rundfunkessays. Die Werkausgabe beginnt mit „Bronskys Geständnis“, über das DER SPIEGEL urteilte: „Ein bizarres, wüstes Nachtasyl-Personal zieht auf, Penner, Huren, Säufer, Kriminelle, Entgleiste und Entglittene, ein Rinnstein-Inferno. Der alltägliche Wolfskampf um den Dollar und einen Bissen kann zur Posse und zur Tragödie werden“. Mit der dem Milieu angemessenen Deftigkeit und dem ihm eigenen lapidaren Witz schildert Hilsenrath den Kampf seines Helden, eines deutschstämmigen Juden namens Jakob Bronsky. Die Collage aus Obsessionen, makabren Phantasien, krassem Realismus, Obszönitäten und poetischen Elementen macht auch betroffen wegen ihrer Aktualität angesichts der Zuwanderung von Emigranten im Deutschland von heute. Edgar Hilsenrath: „Fuck America – Bronskys Geständnis“, Dittrich Verlag, 288 Seiten, € 19,80; ISBN 3-920862-48-1 Der Maler und Grafiker Christian Lang, Chemnitz, fertigt zu jedem Band der Werkausgabe Edgar Hilsenraths eine Farbradierung an, die in einer Auflage von jeweils 30 Exemplaren exklusiv vom Dittrich Verlag, M. v. Richthofenstr. 9, 12101 Berlin oder Blücherstr. 10, 50733 Köln, für € 250,00 angeboten wird. Ingrid Bachér hat im Herbst 2003 ein ungewöhnliches „Tagebuch“ veröffentlicht, das inzwischen bereits viel Aufmerksamkeit in den Medien und bei den Lesern gefunden hat. Es ist eine „Annäherung an das Alter“, voller Gefühle, die nicht den üblichen Vorstellungen vom Alter entsprechen. Sie beschreibt das Älterwerden als eine Zeitzone, in die wir früher oder später einsteigen. Mit ihr, so heißt es in der Verlagsankündigung, werden wir schon früh bekannt gemacht durch Menschen, die uns nahe sind und ins Alter hinüberwechseln, bevor wir später selber erfahren, was mit uns alternd geschieht. Zuweilen werde das ironische Entsetzen über die Veränderungen der eigenen Gestalt deutlich, doch die Lebendigkeit des Verlangens bleibe und die Neugier auf das Ungewohnte. Der Leser werde herausgefordert, das Alter nicht zu verpassen: „Es ist Sommer und in bin in Italien und die Frage nach dem Alter ist nicht mehr zu umgehen. Lange Zeit habe ich mich daran gewöhnt, zu den Jüngeren zu gehören, für die das Alter ein entlegener Bezirk war. Wir sahen wie Eltern, Verwandte und Freunde dorthin übersiedelten und hörten ihre Nachrichten und Rufe, ohne dass wir recht darauf zu antworten wussten“.
Die Autorin erinnert daran, daß die Menschen auf den sanft glühenden Fresken in den Grabkammern der Etrusker „heiter und jung sind. Sie tanzen und musizieren und begleiten den Toten, der würdevoll Abschied nimmt. Auch er ist in den Darstellungen jung, als wäre der Zustand des Lebens unveränderbar... Das Alter zeigt sich im Triumph, das Leben gut überstanden zu haben.“ Ingrid
Bachér: „Sieh da, das Alter“. Tagebuch einer Annäherung.
174 Seiten, Dittrich Verlag, ISBN 3-920862-49-X (WG 1 160), € 17,80 Herta Müller hat eine „nicht mehr biographische Autobiographie“ (Frankfurter Rundschau“) veröffentlicht. Dazu Sybille Cramer in der FR u. a.: „Der König verneigt sich heißt der titelgebende Erzählessay, der mitten in die Vorstellungswelt des Kindes und geradewegs wieder aus ihr heraus zu einem Collagetext der Autorin führt. Es handelt sich um die Worte König, Friseur, Haar und Leben, die das Kind (im rumänischen Nitzkydorf) gegen ihren lexikalischen Sinn tauft... Das multiple, variative Verfahren, das sie aus ihrem eigenen Collagewerk übernimmt, ermöglicht ihr, das Schreiben selbst in den Blick zu rücken. Die Analyse des kindlichen Sprachverhaltens wird mit dem der erwachsenen Schriftstellerin so verflochten, daß der Mechanismus in den Blick gerät, der das Schreiben in immerwährender Bewegung hält. Die Fäden, die im Fluss des erinnernden Erzählens und der begleitenden Meditation hin- und herlaufen zwischen Kindheit, erwachsenem Leben und Werk, werfen ein Licht auf die Energiequellen und Kraftlinien ihrer poetischen Sprache. Es kommt ein Glossar zum symbolischen, metaphorischen und semantischen Vokabular des Werks zustande, das einzelne Beispiele herausgreift, Wortfelder, Sprachakte, Kommunikationssituationen, um die poetische Symbol- und Übersetzungsarbeit zu zeigen, die von der Kindheitssprache direkt zur Poesie führen. Im Zusammenspiel der analogen Texte entsteht eine Art strukturaler Autobiographie.“ Herta Müller: „Der König verneigt sich und tötet“, Carl Hanser Verlag, München 2003, 205 Seiten, 17,90 € Hans Joachim Schädlich hat in seinem neuen Roman Geschichten von Fälschungen und dem totalen Identitätsverlust einer Alzheimer-Kranken nachgespürt. Zwei pensionierte Meteorologen, altersverliebt in eine schöne Architektin, sammeln Fälle wie die den des DDR-Au-tors Bruno Apitz. Der hatte in seinem Ro-man „Nackt unter Wölfen“ eine antifaschistische Heldensaga gesponnen, in der Kommunisten mutig einen Vierjährigen im KZ Buchenwald versteckten, der dadurch angeblich als einziges Kind das Lager überlebte. Tatsächlich sind jedoch bei der Befreiung mehr als 900 Kinder und Jugendliche lebend gefunden worden. Eine weitere Fälschung ist die Biografie des Germanisten Hans Ernst Schwerte, der als Linksliberaler in Aachen Hochschulkarriere gemacht hatte, aber als Hans Ernst Schneider nicht minder erfolgreicher Nazi-Funktionär im Dritten Reich gewesen ist. Als „Dschidschi“ stellt Schädlich den „Schwatzrunden“-Virtuosen Gregor Gysi vor und „brilliert“ dabei als „zorniger Kartograf grotesker Maskierungen“ (SPIEGEL). Hans Joachim Schädlich: „Anders“. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbeck, 224 Seiten, €19,90 Elke Schumacher, Losheim am See, ist in einer Lyrik-Anthologie, für die 28 Autorinnen und Autoren ausgesucht wurden, mit den Gedichten „Tief in mir“, „Federspiel“ und „Jeden Abend sterbe ich der Welt“ vertreten. Herausgeber: Kulturamt St. Wendel, „Unter meiner Haut“, ISBN 3-8338-0546-7, € 7,50. Wolf Erlbruch, Wuppertal, erhielt in 2003 gleich mehrere Auszeichnungen: Den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk, den Gutenbergpreis der Stadt Leipzig und den Von der Heydt-Kulturpreis der Stadt Wuppertal. Prof. Erlbruch, geb. 1948, hat die Titel aller fünf Almanache gestaltet. Uri Avnery, israelischer Publizist, und der palästinensische Politologe/Philosoph Sari Nusseibeh haben in Köln den Lew-Kopelew-Preis 2003 für Frieden und Menschenrechte für ihren gemeinsamen Kampf um Versöhnung zwischen ihren beiden Völkern erhalten. Der in Westfalen geborene Uri Avnery, Gründer der israelischen Friedens- und Menschenrechtsbewegung „Gush Shalom“, setzt sich für die Anerkennung eines Staates Palästina durch Israel ein. Sari Nusseibeh ist Rektor der arabischen Universität Ost-Jerusalem. Mails an die ELS-Gesellschaft „Jörg Bremer hat in einem alarmierenden Artikel in der FAZ vom 09.10.2003 auf die dramatische Situation um die Villa Salman Schockens in Jerusalem aufmerksam gemacht. Der Bau des großen Architekten Erich Mendelsohn (u.a. auch Einstein-Turm, Potsdam) wurde zuletzt von der Rubin Akademie für Musik und Tanz genutzt und ist nun vom Abriss bedroht.
Erich
Mendelsohn (u.a. auch Einstein-Turm, Potsdam) wurde zuletzt von der
Rubin Akademie für Musik und Tanz genutzt und ist nun vom Abriss
bedroht. Lieber
Hajo Jahn, das P.E.N. Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland wurde
mit ueberwaeltigender Mehrheit (51 gegen 3 mit 4 Enthaltungen) auf dem
Inter-nationalen PEN Kongress in Mexiko wie-der voll anerkannt. Somit
bestehen wir nach wie vor und wollen wieder konstruk-tiv mit den anderen
Zentren und verwandten Institutionen wie der Else-Lasker-Schueler Gesellschaft
kollaborieren. Meldungen
der Stiftung Verbrannte Reaktionen
– Resonanzen Schülerinnen der Lessing-Realschule Freiburg reisten vom 12.-19. Oktober zum XI. ELS-Forum ins polnische Wroclaw/ Breslau. Mit ihrem Beitrag „Überleben durch Emigration – was geschah mit den Schülern der Freiburger ‚Jüdischen Schule’ 1936-40?“ hatte die Geschichts-AG den ersten Platz beim Exil-Club-Wettbewerb 2003 belegt. Eine Schülerin fasste ihre Eindrücke aus Wroclaw in einem Brief an uns zusammen: „Was ausnahmslos alle positiv fanden, war die zentrale Lage (der Herberge), die Gruppe, die Stadt, die Leitung der ELS-Stiftung, das Maß zwischen Vorlesungen und Freizeit, die Begleitung, und dass man sich oftmals z.B. auf Englisch durchschlagen konnte. Dass die tschechische Gruppe auch bei uns in dem Hotel war, fanden auch viele gut und interessant. Die Meisten fanden natürlich auch die Vorlesung von Mario und Stella-Maria Adorf toll.
Die beste offizielle Veranstaltung war für viele definitiv die Exilbuch-Ausstellung (die hat mir persönlich auch am besten gefallen!), da man bei ihr direkt mit wahrhaftigen, persönlichen Schicksalen und z.T. auch tragischen Liebesgeschichten konfrontiert wurde. Oftmals meinten Schüler auch, dass sie durch diese Woche gewisse Vorurteile gegen Polen abgelegt hätten. Mit freundlichen Grüssen u. einem herzlichen Dankeschön! Ihre Sarah Rogg“. Museum der Expression? Seit
dem von Günter Grass, Sarah Kirsch, Siegfried Lenz und Salman Rushdie
mit rund 50 weiteren Intellektuellen unterzeichneten Aufrufs für
die Stiftung „Verbrannte und verbannte Dichter und Künstler“
überlegen Initiatoren und Förderer, wie eine solche Einrichtung
dermaleinst heißen könnte. Der Bilder-Sammler Gerhard Schneider
- Mitglied der ELS-Gesellschaft und überzeugt von einer interdisziplinären
Einrichtung zum Thema Verfolgung von Kunst und Intellektuellen –
sieht mit einiger Berechtigung eine der Schwierigkeiten bei der Suche
nach Sponsoren und Mäzenen im sperrigen Namen und in Begriffen
wie „Verbrannte“ oder „verbannte“ bzw. „verfolgte“
Kunst. Jetzt, wo sein langer Kampf Aussichten für eine Realisierung
unseres gemeinsamen Anliegens zu versprechen scheint, lautet seine Namensvorgabe:
„Museum der Expression“. Untertitel: „Deutsches Zentrum
für verfemte Künste“. –
Die im Infobrief 54 angekündigte Rezension über Rosamunde
Neugebauers Termine 2004 Mittwoch,
14. Januar, 16 Uhr Dienstag,
20. Januar, 20.08 Uhr Sonntag,
25. Januar (bis 16. Mai) Dienstag,
27. Januar, Holocaust-Gedenktag - 19.30 Uhr Dienstag,
27. Januar Dienstag,
3. Februar, 20 Uhr Mittwoch,
4. Februar, 19.30 Uhr
Hannelore
Hoger liest Texte u. Gedichte von Else-Lasker-Schüler. Musikalisch
umrahmt wird die Lesung vom Ensemble Noisten. Die Schauspielerin Hannelore
Hoger und der Musiker Reinald Noisten sind Mitglieder der ELS-Gesellschaft. Mittwoch,
11. Februar, 20.08 Uhr Dienstag,
16. März 2004, 19.30 Uhr Donnerstag,
25. März, 20 Uhr Sonntag,
28. März, 10.30 Uhr (Änderungen vorbehalten) Letzte
Meldung Wuppertal setzt mit diesem Beschluss ein spätes Zeichen, das anderen Städten dennoch als Vorbild dienen könnte. Die Direktorin des Wuppertaler Museums allerdings, die schon einmal Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker ohne seine Nazikunst ausstellen wollte (ELS-Almanach 5), bleibt mit ihrer Verweigerungshaltung auf dem eingeschlagenen Kurs der Uneinsichtigkeit. Sie wird dabei vom Vorsitzenden des Kunst- und Museumsvereins, Eberhard Robke, unterstützt. Andere Museen und Trägervereine sind da einsichtsvoller, doch haben sie Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung ihres unrechtmäßigen Bestands, weil es an Fachpersonal dafür fehlt (Redaktion). "Felsige Flusslandschaft" alias „Schwarzwaldlandschaft“. Das Bild von Otto Scholderer soll vom Wuppertaler Von der Heydt-Museum an die Erben des ehemaligen jüdischen Eigentümers zurückgegeben werden: Kopie aus dem Katalog des Auktionshauses Lange, wo das Bild am 18.11.1938 versteigert wurde. Ersteigert wurde es damals von der Galerie Abels in Köln, wo es das V. d. Heydt-Museum 1939 erwarb. |
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