Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V. ist ebenso ungewöhnlich wie Else Lasker-Schüler, unsere Namensgeberin mit dem gläsernen Herzen und den vielen Identitäten, in die sie sich poetisch hineinträumte: Sie war:

 

Blauer Jaguar. Indianer. Krieger. Abigail. Tino von Bagdad. Prinz Jussuf von Theben

 

Den Spuren dieser Malerpoetin folgt die nach ihr benannte Literaturgesellschaft, die Erinnerung an Leben und Werk dieser Ausnahmekünstlerin und Poetin lebendig erhält. Nach ihrem Vorbild haben wir  ein Netzwerk aus Autor*innen, Künstler*innen, Literaturwissenschaftler*innen und –liebhaber*innen gewoben.
Mit 1.200 Mitgliedern weltweit zählt die Else Laser-Schüler-Gesellschaft zu den größten Literaturvereinen Deutschlands.

 

23 Else Lasker-Schüler-Foren wurden im Laufe der letzen dreißig Jahre veranstaltet: von Wuppertal und Jerusalem über Breslau, Prag, Zürich, Berlin, Wien, Catania, Tel Aviv bis Ascona und Sanary-sur-Mer in Frankreich.


Ankündigungen und Meldungen

Else Lasker-Schüler-Dramatikerpreis in Trier

Die 3. Theatertage von Rheinland-Pfalz wurden im März 2024 mit der Verleihung des Else Lasker-Schüler-Dramatikerpreises durch Ministerpräsidentin Malu Dreyer an Wolfram Lotz eröffnet. Die Regierungschefin ist Vorsitzende der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, die auch die „Else Lasker-Schüler-Stückepreise“ vergibt, diesmal an Deborah von Wartburg, Hanna Valentina Röhrich, Felix Krakau.

Die Preise werden alle zwei Jahre vergeben.

 

Fotos: Gerd Mosel

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Pressemitteilung Else  Lasker-Schüler-Lyrikpreis und
Else Lasker-Schüler-Lyrikförderpreis 2024

Solidarität mit Israel

 

Am 7. Oktober haben Terroristen der islamistisch-antisemitischen Hamas und anderer palästinensischer Terrorgruppen israelische Grenzstädte infiltriert, tausende Raketen auf Israel abgefeuert und Zivilisten, Soldatinnen und Soldaten entführt und ermordet. Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft Wuppertal erklärt sich uneingeschränkt solidarisch mit allen Menschen in Israel. Die Grausamkeit und Brutalität der terroristischen Angriffe auf unschuldige Menschen, Familien mit Kindern schockieren zutiefst und sind durch nichts zu rechtfertigen.

Wir sind in tiefer Trauer um alle Opfer und in unseren Gedanken bei ihren Familien und Angehörigen. Unsere Sorge und unser Mitgefühl gilt allen Israelis, verbunden mit dem Wunsch, dass sie bald wieder in Sicherheit leben können.
Dieser Terror muss sofort enden, deshalb unterstützen wir das völkerrechtlich verbriefte Recht Israels auf Selbstverteidigung. Jeder Form der Rechtfertigung oder gar Unterstützung dieses menschenverachtenden Terrors treten wir entschieden entgegen.

 

Antisemitismus

 

1)

Wie heute brannten die Tannenbäume hinter den Scheiben der geistlichen Hauptstadt Westfalens, als sich das blutige Pogrom abspielte. Unschuldig vergossenes Judenblut klagte über die Grenzen des Heimatlandes, dunkel über den Rhein und pochte an die Judenherzen anderer Reiche; im unheimlichen Echo an die Erdteile der Welt. An den geschmückten Zweigen der hohen Tannenbäume im Rathaussaale, in der Aula der Schulen, hatte man kleine Judenkinder wie Konfekt aufgehängt. Zarte Händchen und blutbespritzte Füßchen lagen, verfallenes und totes Laub auf den Gassen des Ghettos umher, wo man den damaligen Juden gestattete, sich niederzulassen. Entblößte Körper, sie eindringlicher misshandeln, bluteten zerrissen auf Splittern der Fenstergläser gespießt, unbeachtet unter kaltem Himmel.“

(Else Lasker-Schüler, Textauszug aus ihrem Schauspiel „Arthur Aronymus und seine Väter“)

 

2)

Der Antisemitismus gehört zur Erbschaft, die erblich, die man erbt. Ein Unvermögen. Ein Unvermögen, an dem der Erbende – verarmt. Oft nimmt dieses unechte Vermögen den ganzen beglückten fleischigen Cassenschrank des Erbenden ein, sein gut versiegeltes Herz oder es verschwendet so im Vorbeigehen mit seinen bleiernden Thalern bewerfend. Die Ärmsten, die Unschuldigsten, die Wehrlosesten trifft so einen harten Schimpf. Ach wie oft hörte ich noch mit dem Ranzen auf den Rücken noch 8jährig zur Schule gehend aus höhnisch verzerrten Straßenkindern, ‚Jud, Jud, Jud, hast Speck gefressen etc -, spuck ut, spuck ut‘!

Ich schlug mich jedes Mal mit der Schaar, nicht ein Haar am Kopf übrig blieb.
Else Lasker-Schüler



"Die Facetten des Prinzen Jussuf" - Ein Lesebuch über Else Lasker-Schüler

 

das neue Buch von Hajo Jahn über Else Lasker-Schüler ist nun offiziell auf dem Markt. Es ist ein Lesebuch mit 20 "Kapiteln", Bildern und Gedichten. In jedem Beitrag wird Else in Ihrem Facettenreichtum als "Die Berlinerin", "Die Araberin", "Die Jüdin" "Die Zeichnerin" etc. vorstellt.

Grundlage sind viele Gespräche mit Zeitzeugen, die die Malerpoetin noch persönlich gekannt haben. Dies ist keine wissenschaftliche Arbeit, sondern ein Lesebuch über eine ungewöhnliche Künstlerin.

Es ist ein ganz besonderes Buch.

 

Das Buch (190 Seiten) kostet im Handel 28 Euro und ist für Mitglieder der Else Gesellschaft zum Sonderpreis von 20 Euro plus Versandkosten zu erwerben.

Hajo Jahn: „Die Facetten des Prinzen Jussuf. Ein Lesebuch über Else Lasker-Schüler“.
PalmArtPress, Berlin 2022. 186 Seiten. 28 €

Direkt zu beziehen bei: ELS-Gesellschaft, Herzogstr. 42, 42103 Wuppertal,
>> Bestellung per E-Mail    >>    vorstand@else-lasker-schueler-gesellschaft.de


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Drei Buchkritiken zu Hajo Jahns "Die Facetten..."

Ein Buch zum Aufatmen - 

nach so viel interpretatorischer Klugheit 

Von Jürgen Serke 

Der Journalist Hajo Jahn hat den vielen Biographien über Else Lasker-Schüler eine neue hinzugefügt und nennt sie „Die Facetten des Prinzen Jussuf“. Man kennt fast alles, und doch ist nichts in dieser Darstellung Wiederholung.  

Aber nun stimmt das Bild von der Dichterin, die 1869 in Elberfeld zur Welt kam und 1945 in Jerusalem starb. Locker, leicht und luftig wird hier alles erzählt. Eine Else Lasker-Schüler kommt uns hier entgegen, die sich in das Leben des Lesers einschmeichelt und doch nichts verschweigt vom Desaster des 20. Jahrhunderts.  

Der 81-jährige Hajo Jahn war Redakteur beim WDR in Wuppertal. Vor drei Jahrzehnten gründete er die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft. Die Dichterin wurde sein  Lebensmittelpunkt. Mit Veranstaltungsforen über sie zog er von Deutschland in die Schweiz, nach Österreich, Frankreich und nach Israel. Ein dutzend Almanache über diese Treffen gab er heraus. Er erwies sich als ein großer Organisator und ließ nicht nach in seiner Lust, Else Lasker-Schüler zu präsentieren, selbst als die Dichterin keine Steigerung des Ruhmes mehr nötig hatte.  

Und nun ist ihm eine wunderschöne Hommage gelungen. Wer sein Buch liest, erlebt Glück, Schrecken und Schönheit eines einzigartigen Lebens. Die Elberfelderin wird ebenso gezeigt wie die Berlinerin, die Dichterin wie die Zeichnerin, die Performerin wie die Netzwerkerin, die Jüdin wie die Araberin. In den Kapiteln unter diesen Überschriften wird Leben und Werk dargestellt und auch die Rezeptionsgeschichte gezeigt. Jahns Darstellung ist nicht nur ein Lese-, sondern auch ein Bilderbuch mit zahlreichen Abbildungen von Zeichnungen der Dichterin, die die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft erworben hat.  

Das Erbärmliche ihrer Lebensumstände in Heimat und Exil, das zur Heimat wurde, wird dargestellt, aber die Dichterin lässt sich nicht herabziehen. Jahn zeigt, wie sie Kathedralen über ihre Welt der Fantasie baut. In der Synagoge isst sie genüsslich die mitgebrachte Schokolade. Frau Lasker-Schüler, doch nicht hier, wird sie zurechtgewiesen. Und sie antwortet: „Stören Sie mich nicht in meiner Andacht.“  

Natürlich profitiert Hajo Jahn von dem, was andere vor ihm gefunden haben. Aber so, wie er das Gefundene zu seiner eigenen Geschichte zusammensetzt, wird daraus ein mitreißender Sog, der den Schrecken zurückdrängt. Den Tod büßt man lebend ab, heißt es. Aber der Tod hat in diesem Buch nicht das letzte Wort. Else Lasker-Schüler zeigt in Jahns Darstellung, wie sie der Liebe Flügel verleiht. Mehr geht nicht.  

Hajo Jahn: „Die Facetten des Prinzen Jussuf. Ein Lesebuch über Else Lasker-Schüler“.
PalmArtPress, Berlin 2022. 186 Seiten. 28 €.  

Jürgen Serke, Journalist und Buchautor, hat als ehemaliger Reporter beim Magazin STERN in einer Serie über „Die verbrannten Dichter“ in den 70er Jahren die Malerpoetin und Exilanten Else Lasker-Schüler wieder einem breiten Publikum bekannt gemacht. Sein gleichnamiges Buch wurde ein Bestseller.  
(Foto: Archiv des Adalbert Stifter Vereins)

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fiftyfifty

„Wer knuspert so spät durch Nacht und Wind?“

Else Lasker-Schüler und ein Lesebuch der ganz besonderen Art

1899 wird ihr Sohn Paul geboren - den Namen des Vaters gibt die knapp 30Jährige niemals preis. Gegen den § 218 votiert Else Lasker-Schüler schon damals und heiratet nach der Scheidung von ihrem ersten Mann 1903 einen neun Jahre Jüngeren. Die Liebe liebt die malende Dichterin aus dem Wupper-Tal ihr Leben lang, und autonome weibliche Erotik ist für sie beileibe kein Fremdwort. Eine phantasie-überströmende, kluge, politisch wache, umweltbewusste, widerspenstige Künstlerin, die sich auf die ihr eigene Art immer wieder einmischt. Mal provokant, mal witzig, wie‘s gerade so eben passt. Jene Frau, die Konventionen voller Wonne gegen den Strich bürstet und ihren Lebensfilm einfach auch mal ganz anders abspult, hat Hajo Jahn, vormals WDR-Studiochef in Wuppertal und 1990 Begründer der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, zu seinem „Lesebuch“ inspiriert, fußend auf einer Zeitungs-Serie zum 150. Geburtstag der malenden Dichterin mit den zahlreichen Phantasienamen. Einfühlsam und kundig werden die Facetten eines Frauenlebens der sehr besonderen Art entfaltet. In mehr als zwanzig Beiträgen und jeweils eingerahmt von einer Zeichnung oder einem Gedicht der Malerpoetin, nimmt uns der Autor mit auf die ungewöhnliche Lesereise zu einer eindrucksvollen Künstlerin. Die von den Nazis als Jüdin ins Exil „Verscheuchte“ stirbt am 22. Januar 1945 im Alter von 75 Jahren in Jerusalemer Hadassah-Hospital.   

Ulrike Müller (in der Straßenzeitung „fiftyfifty“, Juli-Ausgabe 2022)

 

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Dichtertal   (https://faustkultur.de/)


Else Lasker-Schüler lebt in Gedichten

Von Matthias Buth

ca. 6 Minuten Lesezeit

 

Foto: Else Lasker-Schüler, 1907 | © Fotograf unbekannt
Else Lasker-Schüler war eine der immerfort Liebenden unter den Lyrikerinnen, deren Herz „dem ew’gen Leben“ angehörte. Und sie beherrschte die märchenhaften Wendungen, die ein Sprachbild dem Gedächtnis anvertrauen. Hajo Jahn, Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, hat ein Lesebuch über die zaubrische Dichterin geschrieben, und Matthias Buth hat es gelesen.


„Der eigentliche Mittelpunkt alles Pietismus und Mystizismus ist aber die reformierte Gemeinde in Elberfeld. Von jeher zeichnete sie sich durch streng calvinistischen Geist aus, der in den letzten Jahren durch die Anstellung der bigottesten Prediger – jetzt wirtschaften ihrer vieren zugleich dort – zur schroffsten Intoleranz geworden ist und dem papistischen Sinn wenig nachsteht. (…) Kommt gar einer, der die Prädestination nicht glaubt, so heißt’s gleich: der ist beinahe so schlimm als ein Lutheraner, ein Lutheraner ist nicht viel besser als ein Katholik, ein Katholik oder Götzenanbeter ist aber von Natur verdammt.“ Das sind harte Sätze. Ferne Vergangenheit? Geschrieben wurden sie von Friedrich Engels im Jahre 1839 und gesammelt in den „Briefen aus dem Wuppertal“. Erst 1929 fanden die Städte Barmen und Elberfeld zusammen, erst im Doppelnamen, dann im Neuwort „Wuppertal“. Der Pietismus hat die Städte an den Wupper geprägt; er war der Motor für die mittelständische Industrie in vielen Bereichen, besonders in der Eisen- und Metallverarbeitung, der Textilherstellung (Bandwebereien), der Färbereien („Türkischrot“) und dann der Chemie (die Bayer-Werke wurden am 1. August 1863 vom Kaufmann Friedrich Bayer und dem Färber Johann Friedrich Weskott in Barmen gegründet). Das calvinistische Denken bestimmte die „Fabrikherren“, die Arbeiterschaft in der Preußischen Rheinprovinz duckte, die Kinderarbeit blieb bis 1839.

Mentalitäten leben fort, oft unbewusst. Auch das Aufbegehren dagegen. In die von Engels so trefflich als „Muckertal“ benannte Wiege der Frühindustrialiserung wurde am 11. Februar 1869 Elisabeth Schüler geboren von ihrer Mutter Janette, geborene Kissing. Der Vater von insgesamt sechs Kindern war Aron Schüler, der sich als Privatbankier einen Namen machte, wie viele im Tal, wie die Wichelhaus, von der Heydt und Kersten.

Zur Welt kam Elisabeth, die Else genannt wurde, in der Elberfelder Herzogstraße 29. Sie wurde zu Else Lasker-Schüler, die Dichterin, die ihre Welt aus dem Tal der Wupper und den Sprachwelten des Talmuds in Gedichten, in Prosa und Theaterstücken einfing. Eine deutsche Poetin, die Deutschland und uns Deutschen nah sein müsste, ist ihr Leben und Werk doch so tief von der Geschichte durchzogen, welche die unsrige ist. Meist wird sie als deutsch-jüdische Dichterin wahrgenommen, dies marginalisiert und führt aus dem künstlerischen Erfahren und Lesen fort. Ihre Poetensprache war deutsch und damit hat sie das Sprachland Deutschland in eine lichte Höhe geführt, wie wenige vor ihr und nicht viele nach ihr. Und auch diejenigen, die wie sie einen eigenen Dichterkosmos hatten und haben, wie Rose Ausländer, Paul Celan, Nelly Sachs, Hilde Domin, Hertha Kräftner sowie Gottfried Benn, Rainer Maria Rilke, Peter Huchel, Reiner Kunze oder (aus Rumänien) Herta Müller, Rolf Bossert und Richard Wagner sollten werkimmanent und literaturästhetisch wahrgenommen und nicht in Bindestrich-Kästchen – weder religiös noch regional – segmentiert werden. Deutsch ist das Dach für alle, gleichgültig, aus welchen Staaten, Regionen oder Erfahrungen die Autoren kommen. Die Schatzkammer allen Schreibens ist immer die Biographie, die eigene und die von anderen. Lebenserfahrungen legen die Gleise ins künstlerisch ambitionierte Textverfassen.

Else Lasker-Schüler lebt, ihre Dichtung wird immer noch gelesen, die Gedichte werden immer weiter vertont. Und all dies wird eingefasst in die Kultur- und Zeitgeschichte, die sich mit ihren Leben und Werk verbindet. Dass dies so ist, verdanken die Stadt an der Wupper und in zahlreichen Städten Deutschland und in Europa dem ewig umtriebigen und kompetenten WDR-Journalisten, Veranstalter, Antreiber und Quälgeist Hajo Jahn. Er ist natürlich kein bergischer Pietist, aber der Wunsch, ja, der Eifer, die Welt zu erwecken und mit den Schönheiten der Gedichte zu befassen, kommt nun doch aus der bergischen Metropole. Jahn hat in der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, inzwischen auf über 1200 Mitglieder angewachsen, sein Lebensmodell gefunden, für das er arbeitet und wirbt, ja auch umwirbt wie eine Geliebte. Gegründet wurde die Else-Gesellschaft 1990 von einem guten Dutzend Bürgern (m/w) aus Wuppertal, ein Verein ist nun mal eine juristische Person, die sich aus vielen zusammensetzt. Aber der ehemalige Leiter des WDR-Studios Wuppertal ist sich sicher, er allein habe gegründet, was metaphorisch Lasker-Schüler ihm gerne zugesprochen hätte. Was der nunmehr 81-jährige unruhige Geist auf die Beine gestellt hat an internationalen Literatur-Foren, ob in Deutschland, Israel, Tschechien, Österreich, Italien oder Frankreich, ist phänomenal, die Almanache, Handbücher, Streitschriften, Eingaben und Presseerklärungen sind kaum zu zählen. Und alles hat Hand und Fuß, korreliert zum hohen Ton der Dichtung der Lasker-Schüler und anderer Dichter und nimmt mit Kenntnis und Emphase die abgründige deutschen Zeitgeschichte wahr. Hajo Jahn hat Sprache, Kenntnis und Niveau. Nicht alles hat Erfolg, die Bergische Universität heißt immer noch nicht „Else Lasker-Schüler-Universität“, und auch kein Bahnhof der Schwebebahn trägt den Namen von Prinz Jussuf, auch kein städtischer Preis trägt den Namen der Dichterin. Die Herrscherin der Verse bleibt in ihren Büchern.

Wer noch Novize dieser Heimwärts-Dichtung, der sinnlichen Sprache des schwarzen Schwans Israels (Peter Hille) noch nicht nähergekommen ist, hat nun Gelegenheit, sich in den Sog der Verse hineinziehen zu lassen. Der Else-Liebende Hajo Jahn hat es geschrieben, wunderbar gestaltet vom Berliner Verlag PalmArtPress, der umsichtig von Catharine Nicely gesteuert wird. Das Buch ist eine Augenweide und entfaltet die Lasker-Schüler-Welten entsprechend einer Artikelserie, die Jahn in der Westdeutschen Zeitung (WZ) geschrieben hatte, ergänzt von Fotos und Zeichnungen der Lyrikerin.

Sympathisch, dass auch ein solches Buch, das einen nur hinreißen kann, etwas richtig stellen muss durch einen eingelegten Zettel, der die bedrängte Schulzeit der kleinen Else richtigstellt: Sie ging eben nicht in eine Volksschule, sondern in die Höhere Städtische Töchterschule, im Volksmund „Schornstein-Schule“, zu der Else schrieb: „Der Direktor Schornstein kam nämlich auch immer so unverhofft in die Klasse mit der Tabakspfeife im Munde, um zu kontrollieren. Mir fielen die endlich kapierten Rechenaufgaben wieder in den Magen zurück, und ich schluckte und schluchzte, und ich kam in die Ecke.“ Schlucken und schluchzen können auch ihre großen Gedichte. Hier liegen die Seelengründe. Was sie in der bedeutenden Anthologie von 1919 „Menschheitsdämmerung“ von Kurt Pinthus als biographische Notiz geschrieben hatte, ist alles Inszenierung, eine Robinsonade wie ihr ganzes Leben. Sie suchte sich eine Außenwelt im Traum, im Orientalischen, so in Märchenerfindungen wie in die von Prinz Jussuf von Theben. Und auch ihr Jüdisch-sein diente zur Auskleidung der Versewelten. Ihr Unbehaustsein ist überall spürbar und in biblischen Figuren verborgen. Das große Gedicht „Mein Volk“ ist für mich ein Text, der das Novalis nahe Nach-Hause-Suchen einfängt und nicht das Volk Israels meint. Gedicht und Gebet waren ihr immer verschwistert, auch und besonders im Liebesgedicht.

„Mutterliebe ist eine Leidenschaft, die ihre eigene Gewalt und Größe hat, ihre Übertreibungen und sogar ihre Sinnlichkeit“, das klingt so ganz nach Lasker-Schüler, ist aber von einer anderen Lyrikerin, die sich in der Sinnenwelt Rumäniens aufhielt, nämlich von der dichtenden Königin Elisabeth von Rumänien, die als Carmen Sylva (1843-1916) bekannt wurde. Die Sorge um Paul, Lasker-Schülers Sohn, dessen Vater nie entschlüsselt wurde, war überschäumend und letztlich erfolglos, er flog von Schule zu Schule, war der Dichterin eher ein unruhiges Gedicht, denn alles geriet ihr ins Uneigentliche, wurde zur Sprache. So wie Hilde Domin betrauerte, nicht Mutter geworden zu und ihre Gedichte als ihre Kinder betrachtete, so war es auch bei der Elberfelderin: Gedichte sind Kinder, die einem nur kurz gehören.

Bert Brecht wird zuweilen vorgeworfen, er habe die Frauen, seine zahllosen Liebschaften, ausgenutzt, quasi benutzt, um daraus Themen und Sinnlichkeiten für seine Texte zu beziehen. Else Lasker-Schüler war (auch) immer verliebt und hat sicherlich mehr und bessere erotische Gedichte geschrieben als der Mann aus Augsburg. Die überwiegend einseitige Liebesgeschichte zu Gottfried Benn hat schöne Verse hervorgebracht, die mehr ihr als ihm ein Denkmal setzen.

All das schlüsselt Hajo Jahn mit Daten, Namen und Fakten auf ohne Fußnotengräber, sondern als Journalist, der sich begeistern lässt und mitnehmen will in seine Welt. Das gelingt vortrefflich. Chapeau! Else Lasker-Schüler ist am 22. Januar 1945 in der Stadt der Städte, in Jerusalem von uns gegangen. Aber ihre Gedichte leben weiter, sehnsüchtig nach Leben und Lieben. Wie wir.

 

Else Lasker-Schüler-Gesellschaft in Kooperation mit 


Klares Zeichen gegen Antisemitismus

Initiative für die Errichtung einer Bodenplatte zur Erinnerung an die reichsweit erste Bücherverbrennung vor dem Barmer Rathaus

Else Lasker-Schüler: Durch die Wüste Sinai
Else Lasker-Schüler: Durch die Wüste Sinai

"Der Antisemitismus ist das Merkreichen einer zurückgebliebenen Kultur". Dieses Zitat ist von Friedrich Engels. Er stammt wie Else Lasker-Schüler, der Malerpoetin  aus Wuppertal. Ihr Satz „Hass schachtelt ein, wie hoch die Flamme auch mag schlagen!“ sollte uns Mahnung und Erinnerung sein, so Hajo Jahn, Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft. 

 

 Ganz in diesem Sinne setzt sich die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, einer Initiative ihres Vorsitzenden Hajo Jahn folgend, dafür ein, dass in Barmen vor dem Rathaus eine künstlerisch gestaltete Gedenkplatte installiert wird.  „2020 gab es in Deutschland 2351 antisemitische Straftaten. Das ist die höchste Erhebungszahl seit der Erfassung vor 20 Jahren. Gegen Antisemitismus arbeiten wir.“

 

Gemeinsam mit der Jüdischen Kultusgemeinde und anderer Organisationen wie der Armin T. Wegner-Gesellschaft, der „Kulturbrücke Wuppertal – Engels an der Wolga“, dem „Freundeskreis Beer Sheva“ sowie der „Solidargemeinschaft Wuppertal“ hat die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft einen entsprechenden Antrag an den Kulturausschuss auf den Weg gebracht.  

 Den Bericht der Westdeutschen Zeitung über die Initiative lesen Sie hier.

 

Else Lasker-Schüler auf Instagram

Eine Initiative an der Universtität Bamberg

Julia Ingold, Mitglied der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bamberg. An der Universität Kiel hat sie kürzlich ihre Dissertation über Else Lasker-Schüler eingereicht. Im Sommersemster 2020 machte Ingold die Not der virtuellen Lehre zur Tugend und ließ mit ihren Studierenden Lasker-Schüler in ihrem 75. Todesjahr auf Instagram wiederauferstehen. Sie posten weiterhin regelmäßig Informationen über Werke, Graphiken, Texte, Biographie, Veranstaltungen, Web-Angebote und Forschung. Dabei entsteht eine unterhaltsame und lehrreiche Sammlung von Versatzstücken, die Interessierten ein lebendiges Bild der Künstlerin vermitteln. 

 

Das Programm verfolgen Sie hier.