Ausgabe 46

4. Quartal 2001

" Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
seitdem die Welt verrohte...."

  • Zentrum virtuell

  • Entschädigung für
    Schweiz-Opfer

  • Ein mutiger
    Hitler-Gegner

  • Mitglieder
    Jahreshauptversammlung

  • Schüler im House
    of Tolerance, L.A.

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Info-Archiv

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Konto-Nr.: 968 768, BLZ 330 500, Stadtsparkasse Wuppertal
Spenden sind abzugsfähig.

Vergangenheit auswiegen
mit der Handwaage,
granweise zusammentragen
die Wurzeln menschlicher Landschaft.
Harald Gerlach (7. 3. 1940 - 19. 6. 2001)

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,
zu Rosh ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, wünschen wir nachträglich all das, was man in aller Welt und allen Religionen zum Neuen Jahr wünscht. Und unseren Freunden und Mitgliedern in Israel und im Nahen Osten: Frieden in Sicherheit, "damit der Wahnsinn ein Ende nimmt" (Tuvia Rübner, Dichter aus dem Kibbuz Merchavia, geboren in Bratislava). Nach jüdischer Zeitrechnung begann am 19. September das Jahr 5762.

Auch wenn ELS-Gesellschaft und -Stiftung juristisch getrennt sind, so sind doch viele der rund 1.400 Mitglieder schon seit Jahren deshalb dabei, weil wir ein Ziel verfolgen: Das Zentrum der verfolgten Künste bzw. Intellektuellen; eine griffigere, bessere Bezeichnung haben wir noch nicht gefunden. Für Anregungen sind wir offen und dankbar. Sie alle fördern diese Bemühungen durch Ihre Mitgliedschaft; aus Zinserträgen der Stiftung wird die Arbeit der Gesellschaft unterstützt. Erfreulicherweise können wir Ihnen just vor der Hauptversammlung - die am 18. November d. J. im "ELS-Büro" in Wuppertal, Herzogstr. 42, stattfindet - mitteilen, daß die Stiftung ihrem Ziel mindestens virtuell einen Riesenschritt näher gekommen ist. Während die Bemühungen um ein reales Zentrum in aller Stille energisch weiter betrieben werden, ist der "Exil-Club" im Internet, dem modernsten aller Medien, inzwischen eines der umfangreichsten Online-Magazine international. Wer keinen Internetzugang hat, sollte sich von jungen Familienmitgliedern oder Freunden dieses Projekt zeigen lassen. Interessierte Lehrer und Eltern unter unseren Mitgliedern sind zur Mitarbeit hiermit eingeladen. Der "Exil-Club" wird künftig vom Bundesbildungsministerium gefördert. Unser Partner bleibt Schulen ans Netz e.V. in Bonn. Arbeitsplätze werden geschaffen und der Kreis der Schulen dürfte erheblich ausgeweitet werden durch die "AktionCourage": Ihre "rassismusfreien Schulen" werden zur Mitarbeit am "Exil-Club" aufgefordert. Denn dieses Magazin ist eine von Jugendlichen erfreulich angenommene Aktion gegen Extremismus in jeder Form, vor allem natürlich gegen die sich im Internet krebsartig austobenden Neonazis, gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.
Herzlich Ihr
Hajo Jahn

Kulanter als bei Zwangssarbeitern
Else Lasker-Schüler würde jetzt eine Entschädigung bekommen: "Lebte sie noch bzw. lebten von ihr noch Kinder oder Enkel, dann könnten die JETZT vom Angebot der Schweizer Banken Gebrauch machen: ‘Wenn Sie glaubhaft machen können, daß Ihnen bei dem Versuch, der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime zu entgehen, die Einreise in die Schweiz verweigert wurde, Sie aus der Schweiz ausgewiesen wurden oder Sie nach der Einreise als Flüchtlinge festgenommen,mißhandelt oder mißbraucht wurden, erhalten Sie eine Zahlung.’ Das Angebot der Schweizer Banken ist weit, weit kulanter als das beschämende der Bundesregierung in Sachen Zwangsarbeit. Hier wird ein viel größerer Personenkreis bedacht, und man muß nicht erst krank oder halbtot sein, um etwas von dem Kuchen zu bekommen. Auch sehe ich erstmalig andere Gruppen wie Homosexuelle, Sinti, Roma unter den Entschädigten. Damit ist der Vorwurf vom Tisch, allein Juden würden einmal wieder das Geld bekommen.” Antje Olivier

Der Dichter,
der Hitler trotzte
"Ostern 1933 verfaßte ein deutscher Schriftsteller ein Schreiben an den Reichskanzler Adolf Hitler. Eine Warnung, die sich gegen die beginnende Judenverfolgung richtete. Parteisekretär Martin Bormann bestätigte den Eingang des Briefes. Dann ließ er den Schreiber verhaften und ins KZ Oranienburg bringen. 14 Monate lang wurde der Häftling mißhandelt und dann entlassen. Kaum in Freiheit, setzte sich der Mann erneut für Juden ein, wurde wiederum festgenommen, konnte nach Italien fliehen und fand in einem Fischerdorf Unterschlupf. Sein Name steht auf einem 1947 in Berlin enthüllten Gedenkstein unter den Toten: Armin T. Wegner.” So steht es bei Jürgen Serkes Klassiker "Die verbrannten Dichter”, in dem er auch Else Lasker-Schüler einem breiten Publikum in Erinnerung gebracht hat. Wegner und Lasker-Schüler stammen aus (Wuppertal-)Elberfeld, wo der vergessene Dichter-Exilant am 16. Oktober 1886 geboren wurde. Angeblich leben ja Totgesagte länger – Wegner starb am 17. Mai 1978.
Nach dem Ersten Weltkrieg machte er weltweit den Genozid des türkischen Staates an den Armeniern publik. Heimlich hatte der Pazifist und junge Sanitätsoffizier trotz stengen Verbots Aufnahmen von den Greueltaten gemacht. Dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson schrieb er - wie später an Hitler - einen offenen Brief. Wegen seines wiederholten Eintretens für das armenische Volk, das ihn Jahre danach durch eine Straßenbenennung in Eriwan ehren sollte, verlor er seinen Redakteursposten.
Aus Anlaß seines 115. Geburtstags eröffnet die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft am Abend des 16. Oktober 2001 eine Ausstellung mit Veranstaltungen in Wuppertal. Kooperationspartner ist die Stadtbibliothek. Dort betreut Henry Schneider das Armin T. Wegner- Archiv (mit dem ehemaligen Arbeitszimmer und der Bibliothek aus dem römischen Exil); in H. Schneiders Obhut befindet sich auch das Lasker-Schüler-Archiv – Besichtungen nach telefonischer Vereinbarung unter 0202-5632162.
Die Exponate für die Wegner-Ausstellung hat der englische Germanist Dr. Martin Rooney, Bremen, zusammengetragen. Er hat Wegner in Rom besucht und 1985 eine Armin T. Wegner-Gesellschaft gegründet, die 1999 abgewickelt wurde. Inzwischen haben an der Kurt Tucholsky-Gedenkstätte in Rheinsberg Veranstaltungen stattgefunden, die an den Menschenrechtler und Reiseschriftsteller Armin T. Wegner erinnerten. Nahebei liegt die Ortschaft Neuglobsow am Stechlin-See. Dort hatte Wegner 1922 für einige Jahre mit seiner großen Liebe, der Autorin Lola Landau, gelebt. Eine Neugründung der Wegner-Gesellschaft ist beabsichtigt; ein Freundeskreis hat bereits die Arbeit und Kontakt zu uns aufgenommen.


Armin T. Wegner und Lola Landau
(1892-1990)

Die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft hat angesichts der Zunahme rechtsextremistischer Ausschreitungen Wegner-Erinnerungsveranstaltungen organisiert. Sie werden finanziell gefördert vom "Aktionsprogramm für Demokratie und Toleranz” (Land NRW/Kulturbüro der Stadt Wuppertal) sowie von der Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen. Eingeladen sind Ralph Giordano, der einen WDR-Film über die Massaker an den Armeniern für die ARD gedreht hat, Fritz Pleitgen und Martin Rooney. Letzterer geht auch in Wuppertaler Schulen, weil Wegner mit seinem beispielhaften Verhalten Zivilcourage bewiesen hat: Ein Vorbild. Deshalb erhielt er 1996 in der armenischen Hauptstadt Eriwan posthum ein Staatsbegräbnis, nachdem er bereits 1968 in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter der Völker” geehrt worden war.
"Es geht nicht um das Schicksal unserer jüdischen Brüder allein”, hatte Wegner am 11. April 1933 (!)
ahnungsvoll geschrieben, "es geht um das Schicksal Deutschlands. Im Namen des Volkes, für das zu sprechen ich nicht weniger das Recht habe als die Pflicht, wie jeder, der aus seinem Blut hervorging, also ein Deutscher, dem die Gabe der Rede nicht geschenkt wurde, um sich durch Schweigen zum Mitschuldigen zu machen, wenn sein Herz sich vor Entrüstung zusammenzieht, wende ich mich an Sie: Gebieten Sie diesem Treiben Einhalt! Das Judentum hat die babylonische Gefangenschaft, die Knechtschaft in Ägypten, die spanischen Ketzergerichte, die Drangsal der Kreuzzüge und sechshundert Judenverfolgungen in Rußland überdauert. Mit jener Zähigkeit, die dieses Volk alt werden ließ, werden die Juden auch diese Gefahr überstehen – die Schmach und das Unglück aber, die Deutschland dadurch zuteil wurden, werden für lange Zeit nicht vergessen sein!”
Wegner ist zu Unrecht vergessen. Auch als Autor verdient er Beachtung – doch was heißt schon verdient: Er ist im deutschen Buchhandel nicht existent. Sein bekanntestes Buch "Am Kreuzweg der Welten” ist allenfalls auf Flohmärkten zu finden. Für Zeitungen und Rundfunk hatte er Reisebeschreibungen aus Nordafrika, Europa und Asien verfaßt. In einem Teil seiner Lyrik nahm er Auschwitz vorweg. Zwischen 1909 und 1913 schrieb Wegner unter dem Titel "Das Antlitz der Städte” nach Meinung von Jürgen Serke "seine besten Gedichte”. Als "obszön” verbot sie die kaiserlichen Zensur. Sie konnten erst später erscheinen.


Häuser
Der Abend füllt die Gasse mit Erbarmen.
Die fernen Wege werden ungenau,
Und Straßen fassen mich mit weichen Armen
Wie eine müde und verliebte Frau.

Nun funkeln alle Häuser wie die Huren,
Fiebernd vor Lust, und ihre nackte Scham
Glüht purpurn aus dem Zifferblatt der Uhren.
Des Tanzes heißer Atem überkam
Die Häuser, taumelnd mit gelösten Strähnen.
So schwanken Frauen in gedrängtem Zug,
Um die der Abend seinen Schatten schlug.
Ein gelbes Lachen schleppt aus ihren Zähnen.

Mich aber lockt ihr Mund im Dämmerschein,
Ihr Schläfer bin ich, den sie liebend küßten,
Gekreuzigt hänge ich an ihren Brüsten
Und trinke stumm ihr Blut in mich hinein:

Haß, Krankheit, Eifersucht, der Sorgen Gifte,
Der Kindheit erstes Leid – o süßes Mahl,
Ich presse liebend ihre magere Hüfte,
Geruch von Tod und abgestandner Qual;

Dem Gier und Wollust alle Stachel nahmen,
Ich schmecke fremden Schmerz wie Milch und Wein,
Und ich begatte sie mit meinem Samen,
Mein Herz schlägt warm an ihrem kühlen Stein.

Sie aber schrein in Schmerzen auf. Mit Wehen
Gebären sie der Träume finstre Zahl
Und schwanken wie Verführte blaß und stehen
In Schwangerschaft und unbegriffner Qual.
Armin T. Wegner

PS: Im Peter Hammer Verlag Wuppertal ist aus Anlaß des 115. Geburtstags die aktualisierte Neuauflage der Armin T. Wegner-Anthologie "Odyssee der Seele", Ausgewählte Werke, erschienen. Walter Jens rezensierte die Erstausgabe am 14. September 1974 in der FAZ: "Nur wer den Tatbestand kennt – wer bedenkt, daß selbst Werfel und Mombert, Loerke und Kaiser eine von Benn aufgesetzte Loyalitätserklärung (für die Nazis) unterzeichneten, kann den Mut jenes Mannes ermessen, der am Ostermontag des Jahres 1933 an Adolf Hitler schrieb, eine Verteidigungsschrift für die verfolgten Juden, die in den Sätzen gipfelte: &Mac226;...es geht nicht um das Schicksal unserer jüdischen Brüder allein, es geht um das Schicksal Deutschlands... Denn wen muß einmal der Schlag treffen, den man jetzt gegen die Juden führt, wen anders als uns selbst!’ Armin T. Wegner. Ein deutscher Schriftsteller, Verfasser von Gedichten, Romanen, Erzählungen, Reiseberichten, Reden, Manifest, Briefen und Essays. Geachtet im Ausland...Und bei uns? (Ein Blick in sein Werk)...genügt, um das Unrecht erkennen zu lassen, das man diesem Mann angetan hat, indem man ihn totschwieg."
Armin T. Wegner: "Odyssee der Seele", Ausgewählte Werke, Taschenbuch, 396 Seiten, Peter Hammer Verlag, Wuppertal, ISBN 3-87294-886-5, DM 32,90.

"Jerusalem"-Buch
im Bleicher-Verlag
Der Doppelband zum IX. Else Lasker-Schüler-Forum vom 24. – 31. März 2001in Israel wird im Bleicher Verlag erscheinen. Rechtzeitig zur Frühjahrs-Buchmesse 2002 sind die beiden Bücher zum Handelspreis von 39,90 DM auf dem Markt. Wir bemühen uns, die Subskriptionsexemplare für Mitglieder (29,-- DM) noch vor Weihnachten auszuliefern. Eindrucksvolle Schwarzweißfotos von Gisela Scheidler zeigen Jerualem heute, aber auch Rehavia, das Viertel, in dem Else Lasker-Schüler und viele andere Intellektuelle lebten, die sich aus Deutschland und Europa hatten retten können. Texte von deutschen Autoren wie Ingrid Bachér, Christa Ludwig, Herta Müller, Hans Joachim Schädlich und Jürgen Serke, aber auch von den israelischen Dichtern Lev Berinski, Jakob Hessing, Tuvia Rübner, Asher Reich sowie Gedichte von ELS, Jehuda Amichai, Theodor Kramer und Sonka machen die Bücher lesens- und ansehenswert.

Neues Theaterstück über ELS
Else Lasker in Zürich. Dieser Lebensabschnitt der Dichterin im Exil ist Thema eines neuen Theaterstücks, das Ulrich Zaum schreibt. Uraufführung der Auftragsarbeit voraussichtlich im Frühjahr 2002 im Schauspielhaus Wuppertal.

Schule setzt Beispiel
"Arthur Aronymus und seine Väter". Dieses selten gespielte, in Wuppertal nur einmal, nämlich 1968 in der legendären Inszenierung von Hans Bauer mit Ilse Ritter in der Hauptrolle gezeigt, wird zur Zeit von Ulrike Schlömer an der Gesamtschule Else Lasker-Schüler in der Geburtsstadt der Dichterin einstudiert. Schülerinnen und Schüler, Theaterprofis und Laien wirken mit in diesem Stück, das so professionell zu werden verspricht, daß sich ein Weg an die Wupper lohnen dürfte. Es ist vermutlich auch das erstemal, daß eine Schule dieses Schauspiel aufführt. Es gilt als moderner "Nathan der Weise", weil es auch um einen Glaubenskonflikt in diesem Toleranz-Drama geht. Die ELS-Gesellschaft hat sich im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten finanziell an dem Vorhaben beteiligt. Premiere ist am 11. Dezember 2001 im Forum des REX-Theaters Wuppertal (weitere Aufführungen siehe unter Termine).

Goldener Ritter in Rio
Else Lasker-Schülers Gedicht "An den Ritter aus Gold" ist Teil eines ungewöhnlichen Filmprojekts: Der Berliner Regisseur Ralf Schmerberg (36) setzt dabei insgesamt 24 Gedichte filmisch um, unter anderem von Rainer Maria Rilke, Paul Celan oder Ingeborg Bachmann, gespielt oder gesprochen von Schauspielern wie David Bennet, Meret Becker, Jürgen Vogel und Luise Rainer. Der nicht kommerzielle Film, der in Berlin, im Himalaya, in Brasilien und Vietnam für 3,5 Millionen Mark gedreht wird, soll möglichst im Frühjahr 2002 auf Festivals gezeigt werden und im Sommer/Herbst nächsten Jahres in die Kinos kommen. Das Gedicht "An den Ritter aus Gold" hat "Abigail" ihrem "reinen Liebesfreund Hans Ehrenbaum-Degele" gewidmet. Die Umsetzung für die Leinwand wurde mit Marcia Haydee in Rio de Janeiro verwirklicht. Der Titel des Films lautet "Poem". Regisseur Schmerenberg, der unter anderem Videos für Popmusikgruppen wie die Toten Hosen oder die Fantastischen Vier produziert hat, hofft mit seinem neuen Projekt Poesie für die "MTV-Generation augen- ohrengerecht" zu machen. Von Goethe hat er sich nicht entmutigen lassen, der da meinte, daß Deutschland "nach Gedichten nicht viel fragt”.

Vereinsinterna

Neue Mitglieder
Inge und Hans Hornburger, Harald Goeke, Thomas Beimel sowie Mun-Ki Lee, Wuppertal – der Germanistikstudent an der Bergischen Universität stammt aus (Süd-)Korea; Laurent Cassagnau, Paris; Uta Böhning und Helga von Loewenich, Berlin; Jana Kovarikova, Wien; Melitta Depner, Wiesenbronn; Elisabeth und Günther Frucht-Schäfer, Bochum; José Luis Reina Palazón, Frankfurt/M., Hannelore Hoger, Hamburg;: Nina Hoger, Gabriele Quast und Dieter Weiss, Köln; Maria Koch, Solingen; Brigitte Hintze, Neuss. Das Thema ihrer Dissertation lautete "Else Lasker-Schüler in ihrem Verhältnis zur Romantik. Ein Vergleich der Thematik und des Sprachstils".
Wechsel
Hermann Schulz, Leiter des Peter Hammer Verlags in Wuppertal, ist in den Ruhestand verabschiedet worden. Er hatte dem kleinen, der evangelischen Kirche nahestehenden Verlag am 27.Januar 1967 nach dem Ausscheiden von Johannes Rau übernommen und mit Büchern aus der Dritten Welt, vor allem über Afrika sowie mit der Entdeckung von Ernstus Cardenal Renommee verschafft. Die Nachfolge des Ex-Verlegers, der sich längst auch einen Namen als Schriftsteller gemacht hat, übernimmt die bisherige Prokuristin Monika Bilstein.

Wir trauern um...
...Harald Gerlach, geboren am 7. März 1940 in Bunzlau, Niederschlesien, gestorben am 19. Juni 2001. 1945 ausgesiedelt, Wohnsitz in Südthüringen, Abitur in Meiningen. Wehrdienstverweigerer in der DDR. Steinbrucharbeiter. 1960 illegale Ausreise. Wanderungen durch Italien, Frankreich und die Schweiz. Freiwillig kehrte er zurück und büßte wegen der nicht eingeholten Ausreiseerlaubnis mit Haft. Danach schlug er sich als Kiesgrubenarbeiter und Totengräber durch, als Bühnentechniker und Theatermeister, 1970-83 Hausautor am Erfurter Theater. Wohnte seit 1992 in Leimen, Baden. Teilnehmer des VI.Else-Lasker-Schüler-Forums "Zu Hause im Exil – Dichter, die eigenmächtig blieben in der DDR”, 1998 in Wuppertal. Jürgen Serke schrieb in seinem gleichnamigen Buch, das dem Forum den Titel gegeben hatte: "Seine Worte kommen von her und träumen sich an den verborgenenen Daseinsgrund heran. &Mac226;Die Toten haben den längsten Atmen’, wußte er schon früh, und er setzte auf sie, gab ihnen sein Wort. Der Atem seiner Toten , den Dichtern Johann Christian Günther und Jakob Böhme, den Mystikern Quirinius Kuhlmann, Hans Hut und Jakob Böhme, trug Harald Gerlach durch die DDR. Mit ihrem Pneuma widerstand er ideologischer Verführ- und Verfügbarkeit." In einem Nachruf des Magazins "Der Spiegel” heißt es: "Er war einer der Stillen im Lande. Doch ein unbeirrbarer Eigensinn zeichnete ihn aus. Schon der Titel seiner Lyriksammlungen (Wüstungen, Mauerstücke) und seiner Prosabände (Vermutungen um einen Landstreicher) lassen erkennen, daß seine literarische Welt die der Käuze und Gestrandeten war.” Seinen letzten Roman konnte der kranke Gerlach noch vollenden – postum erscheint "Blues Terrano” im Aufbau Verlag, der auch die meisten seiner Bücher verlegt hat.

...Thomas Fantl, 72. Der mit renommierten Preisen geehrte Film- und TV-Regisseur ("Zeit der Schuldlosen", "Das ausgefüllte Leben des Alexander Dubronski") stammte aus Prag, war jüdischer Herkunft und Teilnehmer des VII. ELS-Forums "Letzte Enklave der Poesie – Thersienstadt". Wegen antisemitischer Schauprozesse hatte er 1957 sein Heimatland verlassen und sein Judentum fortan verborgen. Sein Schweigen über die Vergangenheit brach er 1985, nachdem bei einem SS-"Kameradschaftstreffen" der Holocaust geleugnet worden war. Er trat als Nebenkläger auf und drehte 1987 die autobiografisch geprägte TV-Dokumentation "Theresienstadt, Bahnsteig nach Auschwitz", die nicht gesendet wurde. Seine rund 40 Fernsehspielfilme, darunter anspruchsvolle Literaturverfilmungen, brachten ihm Ansehen und Erfolg.

Autoren in der Gesellschaft

Mein Weg
Es war nach der Wende, als Elazar Benyoetz auf Einladung der Friedrich-Schiller-Universität in Jena einen Vortrag über seinen Weg als Jude und Israeli ins Deutsche hielt. Die Rede war Keimzelle eines neuen Buchs: Kunstvoll komponierte und montierte autobiographische und biographische Notate, Aphorismen, Briefe und Zitate – ein Stück Gedächtnisprosa des 1937 in der Wiener Neustadt geborenen Aphoristikers, der ab 1939 in Tel Aviv aufwuchs, 1959 sein Rabbinerexamen ablegte, 1964 bis 1968 in Berlin lebte und die Bibliographia Judaica gründete.
Elazar Benyoetz: "Allerwegsdahin.Mein Weg als Jude und Israeli ins Deutsche”, ca. 192 Seiten. Gebunden, ca DM 37,--. Arche Verlag Zürich-Hamburg, ISBN 3-7160-2290-X

Schlechter Brauch
Wenn die Anführungszeichen lügen, wird aus Dokumentation Fiktion – häufige Medienpraxis beim Zitieren in Nachrichten. Oft halten sich die Vermittlungsprofis nicht an den Wortlaut des Gesagten, die Rede wird verfälscht wiedergegeben. Wodurch den Politikern die Chance gegeben wird, eigenen angreifbaren Texten zu widersprechen. Schuld sind die Journalisten. Damit hat sich der Autor des hier empfohlenen Buches befasst. Alexander Marionos, promovierter Medienwissenschaftler und leitender Redakteur, entlarvt als Berufspraktiker journalistische Arbeitsweisen, die mit dem Berufsethos, wahrheitsgetreu zu berichten, nicht immer im Einklang stehen. Die Ursachen sind in den ökonomischen Redaktionsbedingungen ebenso zu finden wie in den Schwächen des Systems Schriftsprache. Dennoch ist authentische Wiedergabe von Rede möglich, "30 goldene Zitierregeln" weisen den Weg dahin.
Alexander Marionos: "So habe ich das nicht gesagt". Die Authentizität der Redewiedergabe im nachrichtlichen Zeitungstext. Logos Verlag, Berlin, 2001 (zugl. Dissertation Universität Dortmund) 2001, 280 S., DM 79,-- ISBN 3-89722-704-5

Mehr als Kafka, Werfel, Rilke
Als 1987 bei Szolnay Wien/Hamburg Jürgen Serkes Buch "Böhmische Dörfer – Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaft" erschien, war das die Wiederentdeckung der deutschsprachigen Literatur in der Tschechoslowakei, die eben mehr ist als Kafka, Rilke und Werfel. In der damaligen Tschechoslowakei durfte das Buch zwar nicht erscheinen, wurde aber heftig in den kommunistischen Medien bekämpft. In diesem Herbst erscheint beim Verlag TRIÀDA in Prag die tschechische Übersetzung, erweitert um das Kapitel über Peter Kien und mit einem umfangreichen Nachwort zur Wirkungsgeschichte dieses Buches sowie mit einem Vorwort von Jiri Grusa. Der Titel ist in deutscher Sprache geblieben, der Untertitel lautet: "Putováni opustenou literárni krajinou".

Der Welt abhanden gekommen
Rechtzeitig zum 200. Geburtstag von Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) hat der Theater- und Literaturwissenschaftler, Regisseur und Journalist Jörg Aufenanger ein Buch über das Leben eines Dichters geschrieben, "der der Welt abhanden kam": Grabbe ist die wohl tragischte Figur der deutschen Literatur und des deutschen Theaters. Von früher Kindheit an faszinierte Grabbe die Bühne, doch seine Liebe zum Theater blieb unerwidert. Weder als Schauspieler noch als Dichter fand er zu Lebzeiten die ersehnte Anerkennung. So tragisch und kurz sein Leben gewesen ist, er hat der Literatur viel gegeben: Dieser Dichter wollte die Bühne revolutionieren, doch erst nach seinem Tod wurde er als Vorläufer des modernen Theaters entdeckt. Jörg Aufenanger, der zuletzt zwei Bücher über Goethe veröffentlichte, erzählt das Leben, Schreiben und Scheitern in einer behutsamen Annäherung an den Menschen und sein Werk (und liest aus seinem Buch am 10.Dezember um 19.30 Uhr bei der ELS-Gesellschaft in Wuppertal, Herzogstr. 42).
Jörg Aufenanger: "Das Lachen der Verzweiflung. Grabbe. Ein Leben", ca. 288 S., gebunden, mit ca. 10 Abbildungen. S. Fischer, ISBN 3-10-000120-6


Armin T. Wegner
als Sanitätsoffizier in der Türkei

"Damit Kultur entstehen kann ...
...ist ein Kulturprozeß vonnöten. Etwa durch ein Ausstellungsprojekt des Düsseldorfer Künstlers Rainer Junghanns: Im "Haus der Kunst" der Stadt Brünn, Tschechien, zugunsten des von der UNESCO geschützten Kulturdenkmals Villa Tugendhat von Mies van der Rohe. Projektskizze: Errichtung eines künstlerischen Archivs = "kulinarisches Archiv". Menschen unterschiedlichster Couleur und mit den unterschiedlichsten Selbstverständnissen, von den besten Köchen des Landes, bedeutenden Kunsthistorikern und Museumsdirektoren, bis hin zu einer 72-jährigen Dame, stellen einen Wein für eine museale Ausstellung zur Verfügung und kommunizieren ihre persönliche Beziehung zum Wein, zur Kunst und Kultur. Nach einem künstlerisch dynamischen Prozeß, wird der Wein versteigert und kommt dem oben angeführten "Weltkulturerbe - Villa Tugendhat" zugute.
Die Kunst zu kommunizieren, die Kunst als solches erlebbar zu machen, und in einem offenen Prozeß darzustellen, ist für viele Menschen faszinierend. Das Projekt "Trans & Form" erinnert, vergegenwärtigt und ist vorwärtsgewandt. Damit etwas Neues entstehen kann , sollten wir uns der Vergangenheit bewußt sein. Vorschau heißt Erinnerung. Oder - Wer bin ich? Woher komme ich? Welche Verantwortung trage ich? Es läßt uns DENKEN - erinnert uns an das "KULTUR DENK MAL" - Villa Tugendhat. Sie wurde von den Eheleuten Tugendhat durch großen Aachener Bauhausarchitekten Ludwig Mies van der Rohe 1930 errichtet. Es läßt uns an seinem Entwicklungsprozeß aktiv teilnehmen, bevor es als eine museale Ausstellung im Haus der Kunst der Stadt Brünn, Tschechien, gezeigt wird." (www.transandform.com)
Matthias Erntges


ELS-Preis für Einar Schleef
Der am 21. Juli 2001 in Berlin gestorbene Theaterregisseur und Autor Einar Schleef erhält posthum den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis. Die Auszeichnung ist Schleef von der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur zuerkannt worden.

Mitteilungen der Stiftung Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen
Subject: Projektpartnerschaft
To: Islam@aktioncourage.org, hajo.jahn@Else-Lasker-Schueler-Gesellschaft.de, vorstand@gew-berlin.de, AktionCourage.Berlin@t-online.de

Lieber Hajo Jahn, lieber Heiner Bontrup,
hier also die längst fällige Entscheidung des Courage-Vorstands vom 23.06.01 bezgl. der Kooperationspartnerschaft mit dem Internet-Projekt >Exil-Club< der ELS – Stiftung Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen sowie Schulen ans Netz. Der Vorstand der Aktion Courage hat einstimmig die Mitarbeit im Verbund mit den o.g. Projektpartnern beschlossen! Er hat mich als Ansprechpartner mit der Betreuung und Vertretung seitens AktionCourage beauftragt, natürlich sind unsere Büros in Bonn und Berlin ebenso in die Zuarbeit mit eingebunden. Ich freue mich auf die sicher sehr kreative gemeinsame Arbeit und bleibe bis
bald Euer Uli Nehls vom Courage-Büro Nord, Mölln.
Uli Nehls ist seit 1995 für "Aktion Courage”, Bonn, tätig. Er leitet das Regionalbüro Nord in Mölln. Dort hat er nach dem Brandanschlag im November 1992, bei dem drei Türkinnen ums Leben kamen, die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft bei der Dichterlesung "Eine Nacht in Deutschland – Gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt” unterstützt. Arbeitsschwerpunkt von Uli Nehls ist Antirassismus-Arbeit und -Training an Schulen im Rahmen von "Schule ohne Rasissismus – Schule mit Courage”.

Exil-Club:
Internationales Bildungsnetzwerk
Die gute Nachricht zuerst: Der Exil-Club kann seine Arbeit auch in den folgenden dreieinhalb Jahre fortsetzen. Schülerinnen und Schüler recherchieren also auch künftig Biographien verfolgter Intellektueller für
das Internet und wirken so am Aufbau eines virtuellen Archivs verfolgter Schriftsteller, Künstler, Journalisten und Wissenschaftler mit. Fortgesetzt wird ebenfalls der bundesweite Bildungswettbewerb, bei dem auch künftig attraktive Preise winken wie die in diesem Jahr ausgelobte Reise zum Museum of Tolerance in Los Angeles.
Und nun die noch bessere Nachricht: Der Exil-Club wird in den nächsten Jahren systematisch zu einem internationalen Bildungsnetzwerk zu den Themen Exil und Zensur ausgebaut. Durch vielfältige Kontakte zu Literatur- und Menschenrechtsorganisationen, Universitäten, öffentlichen und privaten Forschungsinstituten, Lehrerseminaren sowie Schulbuch-Verlagen werden inhaltliche Kooperationen und konkrete Projekte mit Modellcharakter für Schulen entwickelt; die Homepage des Online-Magazins wird so zur virtuellen
Kommunikationsplattform aller beteiligten Partner.
Bildungsministerium fördert
Klar ist, dass sich diese anspruchsvollen Ziele nur mit einem hohen finanziellen Aufwand und durch starkes Engagement aller Beteiligten realisieren lassen. Mit mehr als zwei Millionen Mark will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Arbeit des von der Else-Lasker-Schüler-Stiftung initiierten Online-Magazins www.exil-club.de fördern. Das vom BMBF mit einer Stellungnahme beauftragte GMD - (Projektträger Neue Medien in der Bildung PT-NMB) stellt in einem Gutachten den hohen Innovationsgehalt der von der Stiftung und dem Projektpartner "Schulen ans Netz" gemeinsam entwickelten Perspektiven für die Fortsetzung
des Internet-Projektes heraus. Förderwürdig sei das Projekt vor allem wegen des intendierten "Ausbaus zu einem internationalen Bildungsnetzwerk sowie der Integration der Thematik in Formen fächerübergreifenden und fächerverbindenden Lernens", so das GMD. Darüber hinaus wird die Öffentlichkeitswirksamkeit des Vorhabens als sehr hoch eingestuft.
Mit den vom BMBF bereit gestellten Mitteln werden drei Mitarbeiter eingestellt: eine Koordinationsstelle, ein Online-Redakteur sowie eine Sekretariatsstelle. Bei "Schulen ans Netz" wird darüber hinaus ein
Öffentlichkeitsreferent die Außendarstellung des Exil-Club betreuen. Bis zur Wiederauflage des Bildungswettbewerbs im Februar 2002 wird die Website des Exil-Club überarbeitet, um neue Zielgruppen hinzu zu gewinnen: Neben Schülern und Lehrern sollen in Deutschland lebende, in ihren Heimatländern verfolgte Intellektuelle die Homepage des Exil-Club als Publikationsorgan verstärkt nutzen.
Neue Projektpartner
Wissenschaftlich begleitet wird die Arbeit des Exil-Club künftig vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, wo mit Mitteln des BMBF für die Evaluation des Vorhabens die
Stelle eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters eingerichtet wird. Unterstützung erfährt der Exil-Club künftig auch vom neu gewonnen Projektpartner AktionCourage. AktionCourage hat sich als Antwort auf den gewalttätigen Rassismus in Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock 1992 bundesweit gegründet – damals kam auch die Kooperationsdmitgliedschaft mit der ELS-Gesellschaft zustande, die Dichterlesungen in Asylbewerberheimen gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt ("Eine Nacht in Deutschland") durchführte. Arbeitsschwerpunkte der Aktion Courage sind Informations- und Aufklärungsarbeit zur Situation hier lebender Migrantinnen, Bildungsarbeit und Seminare zum Thema Rassismus und Rechtsextremismus sowie Kooperationen mit Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und USA. Besonders die von AktionCourage initiierte Kampagne "Schule OHNE Rassismus - Schule MIT Courage, der sich bundesweit mittlerweile über 70 Schulen angeschlossen haben, dürfte für die Arbeit des Exil-Club wegen der Multiplikatorenfunktion von großer Bedeutung sein.
Heiner Bontrup

Begegnung mit toten Paten
im Museum of Tolerance
Am Montag, dem 13. August 2001, wurde Jean-Claude Benguigi mein Pate. Um Jean Claude kennen zu lernen, mußte ich zwölf Flugstunden um die halbe Welt reisen. Am Ende unseres Besuchs im Museum of Tolerance in Los Angeles begegnete er mir: Jean Claude Benguigi starb in der Gaskammern von Auschwitz. Als dies
geschah, hatte der sechsjährige Junge eine fünfjährige Odyssee hinter sich.
Jean Claude wurde am Zweiten Weihnachtstag des Jahres 1938 in Oran, einer Hafenstadt im Norden Algeriens, geboren. Algerien war damals französische Kolonie. Meine Kinder sollen es einmal besser haben, mochte Jean-Claudes Mutter gedacht haben - wie fast alle Mütter dieser Welt und ging mit ihrer Familie nach Marseille, auf der Suche nach einem besseren Leben. Der Traum sollte nicht wahr werden. Am 31. Juli 1943 wurde die Familie von französischen Kollaborateuren an die Deutschen verraten. Haß auf die Einwanderer oder schlichter politischer Opportunismus mochten die Beweggründe gewesen sein. Denn die Benguigis gehörten zu den damals knapp 120.000 algerischen Juden. Die Deutschen trennten Jean-Claude von seiner Mutter, die nach Auschwitz deportiert wurde, wo sie für grauenhafte "medizinische" Experimente mißbraucht wurde. Der fünfjährige Jean-Claude, sein zwölfjähriger Bruder Jaques sowie Richard, der ein Jahr ältere Bruder, kamen in das Kinderheim von Izieu. Dort tat man alles, um den Kindern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Doch für Jean-Claude endete der Zweite Weltkrieg ein Jahr zu spät: Am 6. April 1944 wird Jean-Claude mit seinen Brüdern und vielen anderen Kindern des Heims von Izieu nach Auschwitz deportiert.
Virtuelles Gedächtnis
Es ist ein Laserdrucker, der mir die Lebensgeschichte Jean-Claudes schwarzaufweiß ausdruckt, aufbewahrt von einem elekrtonischen Gehirn, das neben Jean-Claudes Biographie hunderte Schicksale kennt: Jüdische
Schicksale in den Zeiten des Holocaust, ein virtuelles Gedächtnis, das Leidensgeschichten vor dem Vergessen bewahrt. Auch wenn die biographischen Daten oberflächlich scheinen, sie bleiben haften. Weil sie dazu anregen,
die Lebensgeschichten "auszumalen": Wer mag dieser kleiner Junge Jean-Claude gewesen sein, wie hat er empfunden, wovon hat er geträumt? Auf meinem Schreibtisch hat Jean Claude seinen festen Platz. In meinem Herzen hoffentlich auch.
Nach einer Stunde im Museum of Tolerance sagt Julia Schlotter: "Ich kann nichts sagen." Anne Guetthoff sagt nichts. Julia und Anne, bei 18 Jahre alt, sind Preisträgerinnen des bundesweit ausgeschriebenen
Bildungswettbewerb des Online-Magazins Exil-Club. Sie reisten - jeweils stellvertretend für ihr jeweilige Projektgruppe - mit mir als Redakteur und pädagogischem Betreuer nach Los-Angeles (siehe: Kasten).
So wie das Museum of Tolerance die Erinnerung an den Holocaust wach halten will und zugleich zur Toleranz mahnt, hat sich die Else-Lasker-Schüler-Stiftung die Gründung eines Zentrums der verbrannten
und verbannten Dichter zum Ziel gesetzt. Es gilt die Jean-Claudes, die Vergessenen, unter den verfolgten Schriftstellern, Journalisten, Künstlöern und anderen Intellektuellen wieder zu entdecken, Erinnerungsarbeit wider das Vergessen zu leisten und so eine Brücke in die Gegenwart zu bauen: als Aufruf wach zu bleiben für das Unrecht, das Menschen heute weltweit geschieht, weil sie den Mut haben zu sagen, was sie denken
und Unrecht offen zu benennen.
Als ein wichtiger Zwischenschritt zur Realisierung dieses Ziels wurde von der Stiftung - gemeinsam mit dem Projektpartner Schulen ans Netz e.V., Bonn, der Exil-Club als virtuelles Zentrum gegründet: Schülerinnen und Schüler recherchieren Lebensgeschichten verfolgter Intellektueller für das Internet.
Ein Besuch im Museum of Tolerance in L.A. lag also nahe, um von dort medienpädagogische Anregungen über den großen Teich zur Belebung der eigenen Idee mitzunehmen.
Sprachlosigkeit
Die wichtigste Anregung war Julias und Annes Sprachlosigkeit, die erst später der Reflexion und Analyse wich. Denn die Sprachlosigkeit der beiden jungen Damen spiegelte die kontemplative Ruhe und Stille, die den Besucher beim Rundgang durch das Museum umfängt: Ergebnis einer Museumspädagogik,
die auf Schockeffekte verzichtet und stattdessen auf intellektuelle Klarheit setzt und Geschichte durch die Begegnung mit Einzelschicksalen lebendig und persönlich nachvollziehbar macht. Und zugleich das eigene Ich in den Mittelpunkt rückt. Der Zusammenbruch der Weimarer Republik, die Verführbarkeit des Einzelnen durch Egoismus, Machtstreben und Feigheit sowie die Ausnutzung dieser Mechanismen durch massenhyptnotische Suggestion werden bei einer Zeitreise durch das Deutschland der Nazi-Zeit für jeden nachvollziehbar. Nachvollziehbar, weil wir konfrontiert werden mit dem in uns, was anfällig ist für die Verführbarkeit durch totalitäre Konstrukte. Und das sind wir alle, glauben die Museumsmacher des Hauses. Zu Beginn des Rundganges kann der Besucher wählen: Ein Durchgang für Menschen mit, einer für Menschen ohne Vorurteile. Wer den letzten wählt, landet beim Ausgang.
Atemberaubend die Nachstellung der Wannsee-Konferenz, in der die strategischen Grundlagen der massenhaften Ausrottung jüdischen Lebens gezeigt werden. Der Besucher wird mit der Frage konfrontiert: Was waren das für Menschen, die so etwas mit der scheinbaren Gleichgültigkeit von Technokraten beschlossen. Doch die Frage wurde so gestellt, das sie nach Innen ging. Erst am Ende dieser Zeitreise wird der Blick wieder geöffnet für den Anderen: So wie ich Jean-Claude 57 Jahre nach dessem Tod begegnet bin, so haben auch Julia und Anne dort ihre Paten getroffen.
Heiner Bontrup


Armin T. Wegner 1933 heimlich
im KZ Oranienburg aufgenommen


Der Dichter als Besucher einer Holocaust-
Gedenkstätte in Eriwan, Armenien


Einladung
zur Jahreshauptversammlung 2001

am Donnerstag, dem 8. November, 19.30 Uhr, ELS-Büro, Wuppertal-Elberfeld, Herzogstr. 42.
Tagesordnung:
TOP 1 Begrüßung – Formalien
TOP 2 Rechenschaftsbericht H. Jahn mit Aussprache
TOP 3 Kassenbericht Schatzmeister H. Beil
TOP 4 Kassenprüfer und Aussprache
TOP 5 Entlastung des Vorstands
TOP 6 Neuwahlen des Vorstands
TOP 7 Neuwahlen Kassenprüfer
TOP 8 Minimale Anpassung des Mitgliedsbeitrags an die Währungsumstellung (Vorstandsvorlage) und Abstimmung
TOP 9 Verschiedenes
TOP 10 Dichterlesung in Jiddisch von und mit Lev Berinski, Acco (Israel)

 Kontakte zu Mitgliedern und Interessenten ergeben sich bei der einen oder anderen Veranstaltung in und außerhalb Wuppertals.

Sie können uns aber künftig auch im neuen Büro anrufen

(49- 202 - 305198),

ein Fax schicken (49-202-7475433) oder eine

E-Mail vorstand@else-lasker-schueler-gesellschaft.de.

Wir freuen uns auf Sie –

Herzlich Ihr

Hajo Jahn


Die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft lädt ein:

Veranstaltungen im Jahr 2001 finden Sie auf der
Seite für die Termine.

Else-Lasker-Schüler-Gessellschaft e.V. * Herzogstraße 42 * D- 42103 Wuppertal; Telefon: 0202-305198 / Fax:-7475433
e-mail: Hajo.Jahn@Else-Lasker-Schueler-Gesellschaft.de Homepages: http://www.Else-Lasker-Schueler-Gesellschaft.de http://www.Exil-Club.de
Vorsitzender: Hajo Jahn; Stellverteter.: Dr. Klaus Becker; Schatzmeister: Herbert Beil, Pressesprecher: Christian Sabisch,
Schriftführerin: Renate Dohm, Beisitzer: Wendla Boettcher-Streim, Prof.Manfred Brusten, Monika Fey sowie die Autoren
Herta Müller, Hans Joachim Schädlich und Jiri Grusa, Tschechien.
Bankverbindung: Stadtsparkasse Wuppertal, BLZ 330 500 00, Beitrags- u. Spendenkonto-Nr. 968 768; Stiftungskonto 902 999
ELS-Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen". Vorstand: Hajo Jahn, Christian Sabisch, Herbert Beil, Dr. Rolf Köster – Kuratoriumsmitglieder: Hans-Dietrich Genscher, Annemarie Renger, Dr. Jörg Mittelsten Scheid, Dr. Robert G. Guttmann, Jürgen Serke, Ingrid Bachér, Ursula Schulz-Dornburg.

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