Ausgabe 48

2. Quartal 2002

" Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
seitdem die Welt verrohte...."



"Exil-PEN" -
Vermächtnis?




X. ELS-Forum
für Zentrum
verfolgte Künste



Österreich verklagt
Künstler

Neue ELS-Bücher

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Info-Archiv

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Alle Rechte an den Werken der Dichterin Else Lasker-Schüler liegen beim SUHRKAMP Verlag. Wir sind autorisiert - sowohl von Seiten des Verlags als auch von Nachlassverwalter Prof. Paul Alsberg, Jerusalem, - Lyrik und Prosa für unsere Tätigkeit zu benutzen. Dafür danken wir.


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder,
"Als das Sekretariat des Internationalen PEN vor mehreren Jahren – in totaler Unkenntnis der Situation in der deutschen Literaturwelt – unsere Auflösung forderte, wollte es unseren Mitgliedern vorschlagen, sich entweder dem PEN Zentrum ihres Gastlandes oder Deutschland anzuschließen. Unsere oft geäußerten Vorbehalte gegen die Orientierung und Praxis des internationalen PEN gestattet uns nicht, heute so eine Empfehlung zu befürworten. So weit wir es beurteilen können, steht die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft in Wuppertal unserer Tradition am nächsten." So schließt das Mitglieder-"info 2" des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Darin schlagen Fritz Beer, amtierender Präsident, und Uwe Westphal, Sekretär, die Auflösung der 1934 im Exil gegründete Organisation vor. Sie war das "deutsche Gewissen der Sprache" während der NS-Diktatur. Fritz Beer, 90, präsidierte seit 1988. Der deutschsprachige jüdische Publizist stammt aus Brünn. Sein Schicksal ist exemplarisch für die Exilautoren. Zu den 103 Mitgliedern gehört Christine Koschel in Rom. An den Vorstand in London schrieb sie: "Mit Bedauern nehme ich Ihre Entscheidung zur Kenntnis, das PEN Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland aufzulösen, da nur acht Autoren seine Fortführung wünschen... Ich teile Ihre Ansicht, dass, wie Sie sagen&Mac226; in der deutschen und der internationalen Literatur- und Geisteswelt heute wohl eine Vereinigung notwendig wäre, die nicht nur für die Freiheit des Wortes eintritt, sondern auch für seine Integrität, also gegen seinen ideologischen und politischen Missbrauch’. – Ich bedanke mich kollegial für die gewiß nur gering erahnbaren Mühen, die Sie beide, Fritz Beer und Uwe Westphal, im Laufe der Jahre als gewählte Vertreter des PEN auf sich genommen haben."
Wir schließen uns diesem Dank gerne an. Die Zusammenarbeit mit dem traditionsreichen "Exil-PEN" war gut und effektiv: Doch Sachzwänge stehen seinem Fortbestehen entgegen. Wenn keine Unterstützung von privater oder öffentlicher Seite kommt, ist das Aus unausweichlich – wie jetzt zum Beispiel beim Schücking-Museum ím Emsland. Der Deutsche Depeschendienst meldet: "Die Zukunft des einzigen Literaturmuseums im westlichen Niedersachsen ist ungewiss. Weil es an finanzieller Unterstützung durch Gemeinde und Landkreis mangelt, sieht sich Initiator Heinz Thien kaum noch in der Lage, das seit 1997 bestehende Levin-Schücking-Museum im emsländischen Sögel zu erhalten."
Während Heinz Thien die Felle davonschwimmen, meldeten sich am 24.1.02 in Leserbriefen der "Zeit" die PEN-Mitglieder Aliana Brodmann und E. von Richthofen aus den USA. Sie verweisen darauf, dass das "Centre of German-Speaking Writers Abroad" heutzutage die Vertretung der deutschsprachigen Autoren im Ausland sei, also eine andere Aufgabe habe als zu Exilzeiten, und nicht einfach aufgelöst werden könne. Eine Haltung, die sich nachvollziehen lässt. Aber Bekenntnisse und Hinweise auf Rechtssituationen klären nicht die profanen Fragen: Wer erledigt die anfallende Arbeit und begleicht die entstehende Kosten? Das PEN Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland ist eine der wenigen Organisationen, die öffentlich gegen Hitler-Deutschland gearbeitet haben, eine Einrichtung, auf die die Bundesrepublik stolz sein kann. Die ELS-Gesellschaft bemüht sich, dem in sie gesetzten Anspruch gerecht zu werden. Dazu gehört unser Einsatz für ein Zentrum der verfolgten Künste. Das X. Else-Lasker-Schüler-Forum vom 14. bis 17. November 2002 in Wuppertal und Solingen ist diesem Projekt gewidmet. Mit einer Ausstellung von Erstausgaben, vor allem von solchen, die im Exil erschienen sind, mit Autografen und Fotos aus der Sammlung Jürgen Serke. Seine "Verbrannten Dichter" sind 1977 erschienen, also vor 25 Jahren. Im Focus der Präsentation im Solinger Museum Baden stehen "Liebes- und Musengeschichten. Überleben und Wirkung von Literatur in Zeiten der Verfolgung" mit Briefen, Büchern und Fotos. Unseres Wissens nach gab es noch keine Ausstellung zu diesem Thema. Eröffnung ist am Donnerstag, d. 14. November 2002 mit Udo Samel und einem Symposium, an dem Alfred Grosser und Uri Avnery teilnehmen. 13 Komponisten wie Mauricio Kagel, Tilo Medek, Peter Michael Braun, Reinhard D. Flender, Jürgen Löchter, George Dreyfus und Tsippi Fleischer haben Lasker-Schüler-Gedichte vertont, die in Benefizkonzerten und als Veranstaltung gegen Extremismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt uraufgeführt werden. Im Mittelpunkt: eine Konzert- und Rezitationsveranstaltung am 15. 11. in der Stadthalle Wuppertal. Erika Pluhar, Topsy Küppers, sowie – mit einer Einschränkung wg. evtl. Verhinderung durch Drehtermine – Veronica Ferres und andere prominente Schauspieler werden Texte verbrannter Dichter vortragen. Das Jubiläumsforum trägt den Titel "Mein blaues Klavier" und wird gemeinsam mit der Musikhochschule Wuppertal/Köln ausgerichtet. Dazu gehört am 16.11. eine musikalische Nacht mit HipHop, Rock, Techno, Pop, Rap und Ethno unter dem Titel "else:hören". Teilnahmebedingung: Mindestens eine ELS-Gedichtvertonung. So hoffen wir, auch Jugendliche verstärkt zu erreichen.

Auf der Bildungsmesse im Februar 2002 in Köln präsentierte die ELS-Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen" mit Schulen ans Netz e.V., Bonn, die aktualisierte Ausgabe des Online-Magazins "Exil-Club.de". Rolf Hochhuth war erkrankt und konnte nicht kommen. Er schickte deshalb seine Rede, die er zum 50. Jahrestag der Bücherverbrennungen am 10. Mai 1983 in Wien gehalten hatte. Darin erinnert der Dramatiker an eine relativ unbekannte Frau, die von Roland Freisler vor dem "Volksgerichtshof" zu einigen Jahren Zuchthaus verurteilt worden war: Elfriede Scholz war in Dresden diffamiert worden, weil sie prophezeit hatte, Hitler würde den Krieg verlieren. Nach dem Urteilssspruch blätterte Freisler in der Akte der Angeklagten: "Geborene Remark?", fiel ihm auf. "Aus Osnabrück?" Die Verurteilte bejahte. Freisler: "Sind Sie etwa verwandt mit jenem Osnabrücker, der sich Remarque nennt und &Mac226;Im Westen nichts Neues’ geschrieben hat?" Die Frau bestätigte: "Der ist mein Bruder". Daraufhin brachte Freisler sie nicht ins Zuchthaus, sondern unter die Guillotine. Im Internet sollen vor allem Schüler die Biographien verfolgter Intellektueller aus ihrer Stadt recherchieren, auch und gerade von Menschen, die nicht prominent waren und deshalb vergessen sind. Zu Unrecht vergessen. Interessierte Lehrer/Eltern wenden sich bitte an: Redaktion Exil-Club, Obergrünewalder Str. 13, 42103 Wuppertal. Fax 0202 – 946 3869. E-Mail: Redaktion@Exil-Club.de

Mit dem Projekt eines "Zentrums der verfolgten Künste" geht es also im Internet voran. Auch als Zeichen gegen Neonazi-Propaganda, die sich im World Wide Web pestilenzartig ausbreitet. Die besten Arbeiten des bundesweiten Schulprojekts – Heide Simonis ist Schirmherrin – werden prämiert: 1. Preis eine Klassenreise nach Prag/Theresienstadt, 2. Preis Amsterdam/Anne-Frank-Haus, 3. Preis Hospitationen in ARD-Redaktionen. Mit dem Online-Magazin "Exil-Club.de" sollen Lehrer und Schüler animiert werden, sich im modernsten aller Medien mit jüngster deutscher Geschichte, NS-Zeit und DDR zu beschäftigen, sowie mit Intellektuellen, die aus politischen, religiösen, ethnischen oder geschlechtsspezifischen Gründen aus ihren Ländern flüchten und in Deutschland um Asyl nachsuchen mußten. Das sind überwiegend Autoren und Verleger. Die Teilnehmer am "Exil-Club" müssen sich also bei ihren Recherchen mit Literatur befassen – auch eine Antwort auf die von der "Pisa-Studie" diagnostizierten Leseschwäche deutscher Schüler. Die Bemühungen um ein reales "Zentrum" gehen unterdes ebenfalls weiter. Es gibt begründete Chancen für die Umwandlung der (Bilder-)Sammlung Gerhard Schneider "Verfemt. Vergessen. Wiederentdeckt" in eine Stiftung und den Erwerb der Kunstwerke für eine öffentliche Einrichtung, die Grundlage für das "Zentrum" sein könnte. Gespräche mit möglichen Geldgebern und Politikern wie NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement stimmen optimistisch.

Ihr Hajo Jahn


Letzte Meldung
Ein Mann sucht Asyl!

Kurz vor Abschluß dieses Rundbriefs erreichte uns noch diese Meldung per e-Mail: "Museumsleiter Heinz Thien gibt auf - Einziges Literaturmuseum West-Niedersachsens ein Opfer kommunalpolitischer Ränkespiele - Jahrhundertealte Kulturschätze verlassen das Emsland!" Gleichzeitig empfahl Thien der Familie Schücking, den im Museum befindlichen Nachlaß ihres Vorfahren Levin Schücking, darunter wertvolle Exponate wie Möbel, Gemälde, Urkunden und Siegel von Rubens bis Maria Theresia, Bücher, Originalmanuskripte aus sechs Jahrhunderten, zurück zu fordern. Die bedrängte Situation des Museums, das einzige Literaturmuseum in West-Niedersachsen, sei so "nicht länger zu verantworten".


Schwere Sachbeschädigung

Die Republik Österreich, Landesgericht Salzburg hat gegen den Künstler Wolfram P. Kastner, der zusammen mit Martin Krenn eine Klasse an der Sommerakademie für Bildende Kunst 2001 leitete, ein Strafverfahren wegen "schwerer Sachbeschädigung" eingeleitet und ein deutsches Amtsgericht um Amtshilfe und "Abhörung" ersucht: Der Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, der sein Rechtsreferendariat am Salzburger Landesgericht ableistete, schrieb in sein Tagebuch:"In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." Die Stadt Salzburg brachte dort im Jahr 2001 eine Marmortafel mit dem sinnentstellend verkürzten Zitat an: "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu." Am 29. August 2001 nahmen Wolfram P. Kastner und Martin Krenn mit Studenten eine handschriftliche Vervollständigung des Zitats vor: Als "Rückgabe der unterschlagenen Worte", in der Hoffnung, die Verantwortlichen damit bewegen zu können, ihren Fehler zu erkennen und zu verbessern. Statt nun ohne Aufsehen eine Tafel mit dem vollständigen Zitat anzubringen, wurde die handschriftliche Ergänzung säuberlich mit weißer Farbe übermalt. Darüber hinaus verfolgt die österreichische Justiz mit der Einleitung des Strafverfahrens offenbar sogar die Absicht, die oben angeführte Kunstaktion zu kriminalisieren. Die angedrohte Strafe beträgt drei Jahre Haft oder 350 Tagessätze Geldbuße.
Wolfram P. Kastner sagt dazu: "Der Missbrauch des Zitats zu touristischen Werbezwecken und das Beharren darauf erscheinen nicht nur mir als eine subtile Form von latentem Antisemitismus und amtlicher Präpotenz. Die österreichische Justiz hätte wahrlich andere Möglichkeiten, sich sinnvoll zu beschäftigen: in Salzburg z.B. kann man einen VW-Passat mit der Aufschrift "SS S-TURM 1" herumfahren sehen, unbeanstandet und mit amtlicher Genehmigung. Wurde da die Justiz aktiv oder ist sie traditionell auf einem Auge blind?" Martin Krenn: "Die Tendenz zur Kriminalisierung von politischen Aktionen und die Einschränkung der künstlerischen Freiheit nimmt in Österreich bedauerlicher Weise zu. Aus meiner Sicht muss dem entschieden entgegen getreten werden."


Museumsinsel Hombroich mit Lasker-Schüler, Kafka, Celan

Die Museumsinsel Hombroich im Rhein bei Neuss startete nach einer Restaurierungspause in eine Saison, die "durch zahlreiche Veranstanstaltungen und Neuerungen geprägt sein wird", schrieb die WAZ. So richtet der Sammler Volker Kahmen ein "Literatur- und Kunstarchiv" im "Rosa Haus" ein, das "in seiner Gesamtheit allein 30.000 Manuskripte und Originalausgaben von der Goethezeit bis heute umfasst – unter anderem Franz Kafka, Paul Celan und die größte private Else Lasker-Schüler-Sammlung mit Zeichnungen und Originalhandschriften." Volker Kamen hofft, dass das Archiv noch im Laufe des Jahres eröffnet werden kann. Wir haben mit dem renommierten Sammler für Anfang 2003 eine Führung von Mitgliedern der ELS-Gesellschaft vereinbart – Interessenten melden sich bitte schon jetzt im ELS-Büro.


Zwei starke Frauen

Das Museum Baden in Solingen hat künftig mindestens während der dunklen Jahreszeit einen Ausstellungsraum der Bildhauerin Milly Steger und Else Lasker-Schüler gewidmet. Die jahreszeitliche Einschränkung hat damit zu tun, daß die wertvollen Originalzeichnungen der Dichterin lichtempfindlich sind. Else Lasker-Schüler, die mit ihren bildnerischen Arbeiten dem Experessionismus sehr nahestand, kannte Milly Steger aus dem Berlin der 20er Jahre und hat der Freundin Gedichte gewidmet: "Milly Steger ist eine Bändigerin/ Haut Löwen und Panther in Stein..." Die ELS-Gesellschaft hat die ihr gehörenden Zeichnungen des Prinzen Jussuf als Dauerleihgaben ans Museum Baden gegeben, weil sie dort im Sinne unserer Vereinsziele eingesetzt werden. Wir freuen uns, daß sie von Museumsleiter Rolf Jessewitsch jetzt dort regelmässig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zu den dortrigen Beständen gehören Plastiken von Milly Steger. Die Künstlerin hatte ihre Kindheit und Jugend in Elberfeld verbracht, ist später in London und an der Kunstgewerbeschule im Tal der Wupper ausgebildet worden. Danach ging sie an die Kunstakademie Düsseldorf. Prof. Karl Janssen, zu dessen Studenten Wilhelm Lehmbruck gehörte, war ihr Lehrer, obwohl offiziell Frauen in den Bildhauerklassen nicht zugelassen waren: Im prüden Kaiserreich sollten nackte Männermodelle weiblichen Augen vorenthalten werden. Karl-Ernst Osthaus förderte die Steger gegen heftige Widerstände als "Stadtbildhauerin" von Hagen. Danach ging die Künstlerin nach Berlin. Die Nationalsozialisten belegten Milly Steger mit Auftragsverbot.


Zeichner von Eichmann und ELS

Mit einer sehr sehenswerten Ausstellung vieler seiner Gemälde und Graphiken wird in diesem Jahr in Dresden, Gera, Wuppertal und Braunschweig an den bedeutenden Maler Professor Miron Sima erinnert, der im Januar 100 Jahr alt geworden wäre. In Wuppertal wird sie in der Zentrale der Stadtsparkasse in einer sehr großzügigen und für die Kunstwerke geradezu idealen, lichtdurchfluteten Halle gezeigt. (Ab 1. Juli 2002 für drei Wochen.) Miron Sima, in einem galizischen Stedtel geboren, flüchtete vor Pogromen nach Polen. Bereits als Siebenjähriger malte er Bilder. In Dresden wurde er Meister und Lieblingsschüler von Otto Dix. Mit der Preissumme des Kunstpreises der Stadt Dresden für sein Bild "Der Feilenhauer" (es war die letzte Auszeichnung in Nazi-Deutschland für einen jüdischen Künstler) finanzierte er die Emigration nach Israel. Miron Sima wurde dort zu einem der bedeutendsten Künstler in Jerusalem, das er von ganzem Herzen liebte und das ihn auch zum Ehrenbürger machte. Dort zeichnete er die altersgebeugte Else Lasker-Schüler. Sein Buch mit diesen Zeichnungen über die letzten Lebensjahre von Else Lasker-Schüler motivierte Wuppertal, seine größte Tochter Else Lasker-Schüler wiederzuentdecken. Weltweites Interesse fanden Simas Zeichnungen vom Prozess gegen Adolf Eichmann - er war als einziger Künstler dazu zugelassen.
Prof. Dr. h.c. (SK) Ernst-Andreas Ziegler

Im Rahmen der Miron-Sima-Ausstellung stellt der Schriftsteller Hartmut Geerken, München, eine Videodokumentation über die Produktion seines für den Bayerischen Rundfunk aufgenommenen Hörspiels "nach else alsker-schülers-tragödie ich&ich (fällt der vorhang in herzform)" vor, verbunden mit einer kleinen Ausstellung: Die Matinee findet am 6. Juli um 11.00 Uhr im Büro der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft in Wuppertal-Elberfeld statt, Herzogstr. 42 (siehe TERMINE)


Vereinsinterna

Dank für Spenden & Klarstellung Mitgliedsbeiträge in Euro.Die Einzahlungsbelege, die dem Rundbrief 47 beigefügt waren, galten den Bareinzahlern und allen Mitgliedern, die für ihre Finanzämter einen Beleg haben müssen, der unsere Gemeinnützigkeit ausweist. Es hat wegen dieses Formulars einige Anfragen gegeben, da irrtümlich ein falscher Betrag für die Partnermitgliedschaft angegeben war.hier Richtig ist der Jahresbetrag von 26,-- Euro für die Doppelmitgliedschaft. Wir bitten um Nachsicht und danken all jenen sehr herzlich, die den Einzahlungsschein für eine Spende nutzten. Denn uns hilft jeder Cent bei der ehrenamtlichen, unsuventionierten Arbeit.
Viel Geld verlorenMehrere Hundert Euro wurden uns für Bankgebühren abgezogen, weil Konten erloschen, nicht gedeckt oder geändert waren. Auch ein freundliches Mahnschreiben, das wir diesen Mitgliedern schickten, kostete Zeit und Porto, denn viele der Adressaten waren umgezogen und hatten ihre neue Anschrift leider nicht mitgeteilt. Wir bitten deshalb inständig darum, auch uns solche Veränderungen zu melden, um der Gesellschaft solche unnötigen Verluste zu ersparen. Schon jetzt: vielen Dank.

Neue Mitglieder

Frantisek Cerny und Eva Hulanova, beide Prag; Gisela und Klaus Schwing, Wachtberg; Wilhelm Müllers, Xanten; Anat-Katharina Kálmán, Paris; Gretel Rieber, Köln; Elke Schumacher, Losheim; Petra Rosenthal, Kurt Schäfer, Wilfried Harlandt, Sabine Kerkemeyer, Reinald Noisten und Klaus Stiebeling, alle Wuppertal; Rudolf Haffner, Wesel; Ursula Giese, Wülfrath; Florentine Witz, Lille (F); Dietlinde Niemeyer, Rheine; Ingrid Ida Schlicher, Essen; Bärbel und Hein Dörr, Remscheid; Aida Ibrahim, Hamburg; Rolf Hegmann, Essen; Brendan Botheroyd, Bochum; Annette Pölert-Klassen, Leopoldshöhe - eine der engagierten Pädagoginnen, die mit ihren Schülern die Biografien verfolgter ehemaliger Bürger aufarbeitet; ihre Gesamtschule in Lemgo, Ostwestfalen, bekam im Februar die Auszeichnung "Schule ohne Rassismus" durch die AktionCourage. Die Gesamtschule hat sich inzwischen nach Klara Raveh benannt, die aus Lemgo stammt und hier seit vielen Jahren Zeitzeugen-Gespräche vor allem mit Jugendlichen führt.

Wir trauern um Elisabeth Augustin.

Die am 13. Juni 1903 in Berlin geborene Autorin war vor den Nazis nach Holland geflohen und bezeichnete sich selbst als "niederländisch-deutsche Schriftstellerin". Den Gedichtband "meine sprache deine sprache" (Edition Xylos, ISBN 3-921812-23-2) hatte sie 1985 Else Lasker-Schüler gewidmet, mit der sie bekannt war. Ihre Familie setzte der Todesnachricht das folgende Zitat voran: den tod wegschieben einfach wegschieben immer ein stückchen. Elisabeth Augustin, Solitär (ed- Xylos, Gelsenkirchen)

Fundstücke

"Als wir verlobt waren, fuhren wir nach Berlin und wurden bei den Verwandten als Brautpaar so quasi vorgeführt. Thomas Mann hatte bei dieser Gelegenheit auch eine Lesung im &Mac226;Verein für Kunst‘. Das war eine literarische Gesellschaft, die der Gatte von Else Lasker-Schüler führte.* Er komponierte wohl auch ein bisschen, und zu Anfang dieser Vorlesung spielte er ein Stück, dass hieß &Mac226;Thomas Mann‘. Es war ein sehr sonderbares Gebrumme auf dem Cello. Ich war immer sehr zum Lachen geneigt und kriegte einen furchtbaren Lachanfall. Um mich zu beruhigen, bewarf mich die Lasker-Schüler ständig mit Pralinés, was mich aber eigentlich nur noch mehr zum Lachen brachte. Es ging dann so vor sich hin mit dem Cello und meinem Lachen, recht und schlecht". - Aus: Katia Mann, "Meine ungeschriebenen Memoiren". Hrsg. Elisabeth Plessen, Michael Mann. Fischer, März 1986. *Herwarth Walden (eigtl. Georg Levin), Musiker, Kunstkritiker, Schriftsteller (1871 geb.; seit 1941 in der UdSSR verschollen).Gründer der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm".

Wolfgang Fraißl aus Bruchsal

ist ein Buchhändler, wie sie immer seltener werden angesichts der Konfektionsbuchkaufhäuser. Er hat die Nachschriften von Ursula Ziebarth zu den Briefen von Gottfried Benn gelesen. Darin fand er die Beschreibung eines Leseabends des Dichters im Beisein seiner jungen Geliebten in der Geburtsstadt Else Lasker-Schülers. Pikant daran: Benn war wohl der geliebteste unter den Geliebten der Lyrikerin. Ursula Ziebarth schreibt: Dann machten wir uns auf durch Wuppertal-Elberfeld. Wir kannten beide die Stadt nicht, und schon weil es Else Lasker-Schülers Geburtsstadt ist, waren wir beide neugierig auf sie. Den größten Eindruck machte uns eine technische Schönheit: die Schwebebahn. Ihr Dahinfahren über unseren Köpfen hatte wirklich etwas von schwebendem Davonziehen. Abends dann die Lesung: Ein überfüllter Saal, Stehplätze an den Seiten und bis nach hinten an die Wand – aber kein Mikrophon. Schon nach kurzer Zeit kamen die ersten "Lauter"-Rufe. Benn versuchte es, doch er konnte einfach nicht laut sprechen, nie. Immer wieder wurde "Lauter" gerufen. Einige, die hinten gar nichts verstanden, verließen verärgert den Saal. Ein alter Herr las demonstrativ Zeitung. Benn blieb ruhig, forderte die Stehenden auf, sich doch um ihn herum auf das Podest zu setzen; man arrangierte das. Benn fragte, "ist es jetzt besser?". Lauthals verneinte das jemand, wurde aber empört zurechtgewiesen von Taktvollen, die begriffen hatten, dass Benn sein möglichste tat. Ruhig las er weiter, das ganze vorgesehene Programm trug er vor. Als er am Ende war, stand er sofort auf, ging hinter dem Vorhang, verbeugte sich nicht auf den Beifall hin, erschien auch nicht, um Bücher zu signieren. Was nun? Fragte ich mich, denn mir war klar, dass so ein missratener Leseabend ihn schwer verärgert hatte. Als ich mich im Gedränge vorwärts schob, sah ich vor mir zwischen all den Leuten seinen grauen Hut. Ich ging von hinten an Benn heran, er nahm mich bei der Hand und sagte: "Komm, wir gehen essen, denn mit denen esse ich nicht!" Mehr über die Benns "Wupperiche" auf den Seiten 382 ff. im Buch "Hernach. Gottfried Benns Briefe an Ursula Ziehbarth." (Wallstein Verlag, ISBN 3-89244-488-9) – Ähnliche Erfahrungen bei einer Lesung in Wuppertal hat auch Else Lasker-Schüler gemacht.

Mail. Briefe. Mail. Briefe.

Die Homepage der ELS-Gesellschaft bringt unsere Informationen rund um den Globus. Die Folge sind regelmässige Anfragen wie etwa diese: "Ich bin Mun Hyo Jung,und studiere Germanistik an der Universitaet in Korea. Die expessionistischen Werke interessieren mich, besonders die Lyrik der Else Lasker-Schuelers. Aber Ich kann bei uns gar keine Information ueber Else Lasker-Schueler finden. Wie kann ich einigen Aufsaetzen haben? Aufsaetze sind: 1) Laegreid, Sissel: Nach dem Tode- oder vor dem Leben: das poetische Projekt Else Lasker-Schuelers. Frankfurt/Main, Berlin u.a. 1997. 2) Goldstein, Fanni: Der expressionistische Stilwille im Werke der Else Lasker-Schueler. Diss. Wien 1936. 3) Zeltner, Claudia: Die Modernität der Lyrik Else Lasker-Schülers. Untersuchungen zur Struktur der Gedichte. Bern u.a. 1994. 4) Sull, Xung Suk: Die Lyrik Else Lasker-Schülers: Stilelemente und Themenkreise. Washington 1980." Fachleute unter unseren Mitgliedern wie Dr. Karl Jürgen Skrodzki, Dr. Ricarda Dick oder Henry Schneider wissen meistens die richtigen Antworten oder die Zuordnungen von Zitaten.
"Auch wenn mir vieles bekannt und vertraut ist, was darin aufgeschrieben und aufgezeigt wird, hat es mir doch Freude gemacht, die &Mac226;Momente in Jerusalem‘ und&Mac226;7 Tage in Jerusalem‘ zur Hand zu nehmen und darin zu blättern". Bundespräsident Johannes Rau über den Doppelband "Momente in Jerusalem".
(Die Redaktion muß sich Auswahl und Kürzungen von Zuschriften aus Platzgründen vorbehalten, freut sich jedoch über jede Nachricht und jeden Hinweis.) – Das Doppelbuch "Momente in Jerusalem", erschienen im Bleicher-Verlag - mit Lyrik und Prosa u.a. von Herta Müller, Hans Joachim Schädlich, Ingrid >Bachér, Jürgen Serke, Asher Reich, Theodor Kramer, Else Lasker-Schüler, Sonka sowie mit Schwarzweißfotos von Gislea Scheidler und einem Stadtspaziergang durch den Jerusalemer Stadtteil Rehavia - kostet im Buchhandel _ 26,--, für Mitglieder _ 15,-- direkt ab ELS-Gesellschaft, Herzogstr. 42, 42103 Wuppertal.
Wahlen in Palästina? Zur Zeit befinde ich mich auf Lesereise durch die BRD. Im Gegensatz zu früher werde ich auf die gegenwärtige Lage in Israel angesprochen. Dies deutet auf ein gestiegenes Interesse der Deutschen am Nahost-Konflikt hin. – Ich gehöre zu denjenigen Israelis, die jahrelang dafür plädierten, die PLO und Jassir Arafat als politische Vertretung der Palästinenser anzuerkennen. Große Hoffnungen setzte ich in die Osloer Verträge. Ich vertraute Arafats Versprechungen, den Terror zu bekämpfen, Zusammenarbeit zu fördern und das politische Klima zu entgiften um eine Lösung zu finden, die beiden Völkern zugute käme. Im Laufe der Jahre musste ich erkennen, dass J. Arafat meinesgleichen schmählich belogen hat. Es ist gleichgültig, ob Ehud Barak von der Arbeiterpartei oder Ariel Scharon vom Likud regiert. Die Lage ändern können nur die Palästinenser selbst. Sie müssen darauf hinarbeiten, dass demokratische Parteien sich in der Autonomie entwickeln und Wahlen zugelassen werden. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit des paläst. Volkes die Parteien wählen würde, die auf Terror und Gewalt setzen. Die EU und die USA müssen darauf drängen, dass ein demokratisches System in den palästinensischen Autonomiegebieten eingeführt wird, mit freien Wahlen, freier Presse und Kontrolle über die Entwicklungsgelder. Solange arabische Diktatoren den israelisch-palästinensischen Konflikt benötigen, um von den Missständen in ihrem Land abzulenken, werden sie niemals Projekte unterstützen, die der palästinensischen Bevölkerung zugute kommen. Jeder Israeli, gleich ob Jude oder Araber, darf alle vier Jahre seine Stimme abgeben und über die Zusammensetzung des Parlaments und über den Ministerpräsidenten entscheiden. Kein Palästinenser hat dieses Recht in der Autonomie. Ein einziges Mal, 1996, durfte das paläst. Volk wählen, und damit erschöpfte sich sein Recht auf Selbstbestimmung. Von Arafat und der PLO werden nicht die geringsten Anstalten gemacht, sich wieder zur Wahl zu stellen. Dies sollten europäische Politiker bedenken, wenn sie mit Steuergeldern die palästinensische Autonomiebehörde unterstützen. Damit helfen sie nicht dem palästinensischen Volk, sondern nur seinen korrupten Führern.
Lea Fleischmann

Missionieren für die Dichterin

Die Künstlerin Karin Goetz aus Maintal vertrat unsere Gesellschaft bei der Verleihung des Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreises durch das Land Rheinland-Pfalz. Von diesem 5. November 2001 in der Staatskanzlei berichtet sie über ein Gespräch mit dem Preisträger: "Wir kamen ins Gespräch und mich interessierte, warum der ELS-Preis so heißt und warum er in Mainz vergeben wird. Der Preisträger müsste das doch wissen, dachte ich. Doch weit gefehlt. Er wusste nicht einmal, wer Else Lasker-Schüler ist und hatte auch noch nie etwas von ihr gelesen... Ich erzählte ihm von der Dichterin, er hörte interessiert zu und meinte, er werde das Versäumte nachholen. Inzwischen gesellte sich eine junge Frau an unseren Tisch, die zuvor die Verspätung des Ministerpräsidenten Kurt Beck entschuldigt hatte. Ich wagte bei ihr einen neuen Anlauf mit der Frage, warum der Lasker-Schüler-Preis in Mainz vergeben werde. Die Antwort kam ohne Zögern: "Dass ist doch ganz einfach – weil sie hier geboren ist." Als sie meine erstaunte Reaktion bemerkte, fragte sie mich irritiert, ob sie da wohl etwas verwechselt hätte. Nachdem ich mich gefasst hatte meinte ich, dass hier wohl eine Verwechslung vorliege, denn die Dichterin sei in Wuppertal geboren. Sie meine wohl die aus Mainz stammende Anna Seghers... Ich verliess frustriert die Veranstaltung in der Staatskanzlei. Hier muss noch viel Missionsarbeit geleistet werden."
Neuerscheinungen über ELS Gleich zwei neue Bücher über Else Lasker-Schüler sind zu empfehlen: 1.) Die Publikation von Uta Grossmann, Redakteurin bei der FR, ist zugleich ihre Dissertation (Universität Frankfurt/M). Aber die Autorin hat nicht (nur) im stillen Kämmerlein gearbeitet, sondern auf den Spuren von Else Lasker-Schüler recherchiert. In Wuppertal und in Israel. Entstanden ist ein Werk über Fremdsein im Leben und in der Prosa der Dichterin. Kapitelüberschriften wie "Fremdheit. Eine Annäherung", "...ich bin gar keine Frau wie die anderen", "Zu Hause im Zigeunerkarren" oder "Die Figur des charismatischen Fremden" zeugen (auch) von solidem journalistischem Handwerk. Das macht die wissenschaftliche Aufarbeitung spannend. Einleitend heißt es: "Die Frau ist hinter den Bildern, die sich andere von ihr gemacht haben, fast verschwunden. Fremdheit ist der dominante Eindruck, den die anekdotischen Erinnerungen von Zeitgenossen an die &Mac226;exzentrische Bohemienne’ hinterlassen. Else Lasker-Schüler ist zahlreichen Künstlern und Intellektuellen ihrer Epoche begegnet. Doch wer hat sie wirklich gekannt?&Mac226;...ich bin fremd überall. Wie sind Sie?’ schreibt sie 1909 an den englischen Germanisten Jethro Bithell. Die Dichterin muß auf kulturelle und soziale Zuschreibung der Differenz reagieren. Sie entscheidet sich bewusst für das Anderssein als Lebensstil. Fremdheit prägt ihr Schreiben. Ohne die Erfahrung des Fremden im Augenblick der Inspiration ist Dichten für sie nicht denkbar." Uta Grossmann Fremdheit im Leben und in der Prosa Else Lasker-Schülers, Taschenbuch, 266 Seiten, Igel Verlag, Oldenburg ISBN3-89621-141-2, Euro 49,--, für Mitglieder der ELS-Gesellschaft gibt es 40 % Rabatt: Für 29,40 Euro direkt zu beziehen über den Igel Verlag, Rauhehorst 77, 26127 Oldenburg, Fax 0441 - 6640263
2.) Die neue Publikation von Doerte Bischoff erweist die von 1906 bis 1937 entstandene Prosa Else Lasker-Schülers als paradigmatisch für literarische Moderne und erarbeitet eine völlig neue Perspektivierung ihrer charakteristischen Figuren und Verfahren. Durch intertextuelle Bezüge und strukturelle Analogien zu Nietzsche, Freud, Weininger, Kafka, Martin Buber u. a. sind die Texte auf vielfache Weise in zeitgenössische Diskurse eingebettet, andererseits bergen sie ein besonderes Analysepotential im Hinblick auf Raumkonzepte, Genderdiskurse und Körperkonstruktionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. "Das Peter Hille-Buch", "Die Nächte des Tino von Bagdad", "Der Prinz von Theben" oder "Der Malik" u. a. stellen Grenzen und Krisen der Repräsentation zur Schau, indem sie die Problematik einer Verkörperung symbolischer Macht am Beispiel von Herrscherfiguren erkunden. Souveränität erscheint dabei über die thematischen Konstellationen hinausweisend als radikale Reflexionsfigur von Autorschaft und Subjektautonomie. Die diskursanalytisch, kulturanthropologisch und psychosemiotisch argumentierende Untersuchung bezieht historische und biographische Aspekte (Erster Weltkrieg, Zionismus, nationalsozialistische Judenverfolgung, Exil etc.) ausdrücklich mit ein und eröffnet den poststrukturalistischen Theorieansätzen damit eine politische und historische Dimension. Ein eigenes Kapitel behandelt diejenigen Texte, die wie etwa "Der Wunderrabiner von Barcelona", "Der Scheik" oder "Das Hebräerland" die Begegnung der Religionen gestalten. Die überraschende Nähe zu Ansätzen des jüdischen Philisophen Emmanuel Lévinas entwerfen diese, so wird gezeigt, eine moderne Ethik der Differenz, die dem Fremden im Eigenen Raum gibt und ohne transzendente Sinnbezüge auskommt. Doerte Bischoff "Ausgesetzte Schöpfung. Figuren der Souveränität und Ethik der Differenz in der Prosa Else Lasker-Schülers". 523 S., Max Niemeyer Verlag, Tübingen, Euro 96,--, ISBN 3-484-15095-5.

Bibliophiles "Theben"

1923 veröffentlichte Else Lasker-Schüler bei Flechtheim "Theben". Das prächtig gestaltete, großformatige Buch stellt auf zehn Doppelseiten jeweils ein Gedicht einer Zeichnung gegenüber. Die Gedichte wurden von Else Lasker-Schüler für diesen Zweck mit der Hand abgeschrieben; beides, Handschrift und Zeichnungen, wurden lithographiert.
Die Künstlerin schuf mit Theben einen wunderschönen und faszinierenden Zyklus um ihr poetisches alter ego, Prinz Jussuf von Theben. Fünfzig Exemplare der nur in einer Auflage von 250 Stück gedruckten Originalausgabe kolorierte sie eigenhändig: jedes ein Unikat.
Das (besonders schöne) Exemplar des Literatur- und Kunstinstituts Hombroich (Sammlung Volker Kahmen) dieser heute sehr seltenen Vorzugsausgabe diente als Vorlage für die erstmalige Neuausgabe, in der die Reproduktion der Originalausgabe ergänzt wird durch die Transkription der handschriftlichen Gedichte und ein Nachwort der Herausgeberin, erschienen im Jüdischen Verlag, Suhrkamp.
Else Lasker-Schüler: Theben. Gedichte und Bilder. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Ricarda Dick.Gebunden. Format: ca. 22 x 28 cm. Vierfarbig. 24,- Euro. ISBN 3-633-54177-2.
Vorzugsausgabe: Seideneinband im Schuber. Limitierte und numerierte Auflage (300 Exemplare). Euro 124,-. ISBN 3-633-54179-9.


Forum der Kreativen:

AutorInnen, KünstlerInnen, GaleristInnen in der ELSG

Auf ein bemerkenswertes Buch ist hinzuweisen: "Glasperlensinn" von Anat-Katharina Kálmán. "Meditation" steht im Intertitel, und in der Tat haben die hier versammelten Gedichte meditativen Charakter. Der "Glimmerwelt" der "zeitraffende(n) Geschäftigkeit", den "Glaspaläste(n) schillernder Wunschblasen" wird die meditative Stille, die Ruhe, das Verweilen entgegengesetzt. In oft berückend-schönen, nicht abgegriffenen Sprachbildern behauptet sich ein Ich gegen Getriebe, Einsamkeit, Verlust, und Vereinnahmung – alles sehr treffend und gefiltert durch die optische Brechung der Glasperle (Titel!):
"Wie ein glasweißer Vogel werde ich durch die Mauern eures Wissens gleiten, hinaus in die Grenzenlosigkeit des Ahnens, das aus mir ein Endlos werden lässt..." (Klaus B. Becker).Anat-Katharina Kálmán "Glasperlensinn", 119 S., Internationales Kulturwerk Hildesheim 2001, Euro 10,00. ISBN 3-910069-975
Die von ihm verehrte Poetin der Zeichenfeder und "Wortalchimistin" Else Lasker-Schüler dürfte Pate gestanden haben beim jüngsten Buch des Zürcher Publizisten Carlpeter Braegger mit dem Gattungsbegriff "Gesang kaum". In einer Besprechung dieses witzigen und empfehlenswerten "Textbuches" in der Basler Zeitung Nr. 133 von Felix Philipp Ingold heißt es u.a.: "Das sorgfältig gestaltete Druckwerk trägt in grossen roten Lettern das zunächst befremdliche Kunstwort JOYCELAN im Titel, das durch die Kontamination der Namen &Mac226;Joyce‘ und&Mac226;Celan‘ gewonnen wurde und das auf zwei Autoren verweist, die den vorliegenden Text deutlich mitgeprägt, an ihm gleichsam mitgeschrieben haben. Celan bleibt durchweg präsent durch eine Vielzahl von Zitaten, die Braegger wörtlich oder allusiv beibringt und die unverkennbar den Kammerton seiner Komposition bestimmen (WIRTRINKEN / UNDTRINKEN / DICHNACHTS...), während Joyce sichtlich und hörbar als Generator unterschiedlichster Sprachspiele genutzt, hin und wieder auch ausgenutzt wird (FINNGAINS / PILGRIMACE / THEOLDVIO...WHOLE UNDER / BOOTIFUL). Etwas mehr als 60 Seiten umfasst der streng gebaute Text. Auf schwarzem Satzspiegel sind in weissen Großbuchstaben jeweils 13 Zeilen abgesetzt, Leerschläge (und damit Wortgrenzen) gibt es nicht, doch wird hin und wieder, in unregelmässigen Abständen, eine Zeile ausgelassen, wodurch der Textverlauf eine diskrete Rhythmisierung erfährt. Carlpeter Braegger macht deutlich, welch grosses Sinnpotential aus extremer formaler Selbstbeschränkung zu gewinnen ist. Der vorliegende Reader ist viel mehr das Buch des Lesers als das Buch des Autors; am Leser ists, mit den Texten überhaupt erst etwas – etwas eigenes! – anzufangen". Ein Lesespass mit Einladung zum Buchstabieren. Carlpeter Braegger: "JOYCELAN. Gesang kaum", Textbuch. Edition Holweg, Zürich, 64 S., Sfr. 35,--. ISBN 3-85736-172-7

Literaten aus Schleswig-Holstein vereinen sich zu einem Lesebuch der besonderen Art. Wolfgang Beutin resümiert in seinem Gedichtzyklus über die Gertrudenkapelle, Ernst-Barlach-Gedenkstätte, beleuchtet darin eindrucksvoll 'das schlimme Jahr 1937' und stellt Fragen an den 'Zweifler (1936)'. Kay Hoff (einst Mitglied der Gruppe 47) fragt sich "warum ich schreibe", geht zurück in seine Kindheit und erzählt von den Erlebnissen in der NS-Zeit: &Mac226;Ich war die Lügen so gewohnt, daß ich nicht fähig war, Wahrheit zu erkennen - Wahrheit und Wirklichkeit‘. Der Gedicht-Zyklus von Verena Lüthje&Mac226; gegen das Vergessen – &Mac226;roter fuß küsst weiße lilien‘ erinnert ebenfalls an die Verbrechen der NS-Zeit&Mac226; &Mac226;zu spät kleiner mann‘ und blickt dabei bis in die heutige Zeit&Mac226;zu laut verstummen noch immer rechte/denn sie wissen nicht was sie tun wenn die/fahnen im wind mit den wolken ziehen‘. Heiteres bis Gruseliges findet sich in den tiefgründigen Erzählungen Elisabeth von Ulmanns, Birgit Hambachs und Sabine Windschilds. Weitere Autoren sind Uwe Herms, Friedrich Mülder, Bodo Heimann, Thomas Klees, Mario Volkmann u.a..
‘Fundstücke‘, 219 S., Taschenbuch, 12,70 Euro. ISBN 3-925852-20-4.

Der Galerist und Buchhändler Hans-Jürgen Niepel wurde mit dem Ehrenpreis 2002 des "KulturSalon Düsseldorf" ausgezeichnet. Das vor zwei Jahren gegründete Forum für Künstler, Kulturschaffende und Kulturfreunde ehrte den gebürtigen Berliner für sein Lebenswerk und seine Verdienste um die Kultur der NRW-Hauptstadt. Gratulation!
Ingrid Bachér, Präsidentin des westdeutschen PEN von 1995 - 1996, ist am 6. März 2002 in Düsseldorf von der Mitgliederversammlung einstimmig zur Vorsitzenden der Heinrich Heine-Gesellschaft gewählt worden. Mit herzlichen Glückwünschen verbinden wir zugleich die Hoffnung, dass es Frau Bachér gelingen möge, ihre Vorstellungen umzusetzen: Die Literatur solle wieder eine größere Rolle spielen und die Heine-Gesellschaft zu einem Podium der europäischen Begegnung werden. Die Autorin gehörte zur Gruppe 47 und ist Kuratoriumsmitglied der Else-Lasker-Schüler-Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen". Erste Zusammenarbeit ist eine Einladung an Avital Ben-Chorin. Die Witwe des Dichters Schalom Ben-Chorin ist am 15. April Gast in Wuppertal und am nächsten Tag bei der Heine-Gesellschaft. Im Büro der ELS-Gesellschaft wird Avital, die wahrscheinlich letzte Zeitzeugin, die Else Lasker-Schüler bei ihren Lesungen im "Kraal" erlebte, über die Dichterin in Jerusalem erzählen. Im Nachlass ihres Mannes fand sie alte Tagebuchaufzeichungen, darin ein Satz wie ein Messer, der die große Einsamkeit des Prinzen Jussuf verdeutlicht: "Ich stürze über mein eigenes Herz in die Tiefe."
Armin Juhre ist Autor des Textes "Opus für Orgel, Schlagzeug und Menschenstimmen zum Reichstagsbrand 1933", Musik Lothar Graap. Das Werk, das auf der Expo 2000 in Hannover Premiere hatte, wurde am 27. Februar 2002 in der Christopherus-Kirche in Berlin-Friedrichshagen am 69. Jahrestag des Reichstagsbrands erneut aufgeführt. Das Stück ist nicht nur eine Arbeit gegen das Vergessen, sondern stemmt sich auch gegen die (vor allem im SPIEGEL publizierte) These von der Alleinschuld des Holländers van der Lubbe.

Die Schauspielerin Angelika Achinger hat ein neues Stück erarbeitet und im schleswig-holsteinischen Balje Hörne uraufgeführt: Frei nach "Die Nixe im Teich" (Gebrüder Grimm) mit Gedichten von Else Lasker-Schüler. Frau Achinger hatte zuletzt Publikum und Kritik mit ihrem Stück über Selma Meerbaum-Eisinger überzeugt.
Ruth Seehaus ist Verfasserin des Theaterstücks "Du musst wissen, wir wohnen in Babylon" – ein Stück, das sie aus Anlass des 100. Geburtstages von Rose Ausländer geschrieben und für das Freie Werkstatt-Theater Köln einstudiert hat. Die Else-Lasker-Schüler-Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen" unterstützt dabei die Bemühungen, diese Inszenierung auch in anderen Städten aufzuführen. Nächste Aufführungen: Ostersonntag, -montag und –dienstag in den Halleschen Höfen, Berlin.

News from USA Calvin Jones, Professor für Sprachen im Seminar für Fremdsprachen und Literatur an der University of South Alabama, hielt in der Reihe "Jewish Lecture Series" eine Vorlesung über das Thema "Von den Hebräischen Balladen zum Blauen Klavier: Else Lasker Schülers Vaterland/ Exil".
Jones, Mitglied der ELSG, diskutierte mit seinen Studenten, "wie die Berliner Dichterin und Dramatikerin Else Lasker-Schüler Elemente aus ihrem deutschen Zuhause, ihrem jüdischen Hintergrund und ihrer eigenen Vorstellung kombiniert hat, um eine Deutsch-Jüdische Identität in ihren kreativen Texten zu kombinieren."
An der University of Illinois sponserte das Goethe Institut Chicago eine Bühnenlesung des Stücks Die Wupper (The Dark River). Diesem Event ging eine Einführung in Else Lasker-Schülers dramatisches Werk voraus, vorgetragen von Inca Rumold, De Paul University, Chicago.


Begegnung in der Weltfremde

Martin Heidegger trifft Mascha KalékoDer Autor Andreas Steffens, Wuppertal, referiert unter dem o.g. Titel am 6. Mai um 19.30 Uhr in der Wuppertaler Herzogstr. 42. Er schreibt dazu: "Vertreibung aus der eigenen Welt und ihr Verlust waren in der politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts eine Massenerfahrung, die von Millionen Menschen gemacht werden mußte. Das Bewußtsein der Zeitgenossen ist davon nicht ungeprägt geblieben. In der Geistesgeschichte gibt es die verschiedensten Reaktionen und Bezeugungen dieser Erfahrung. Sie alle tendieren darauf, die Erfahrung des Fremdseins in der Welt als eine spezifisch menschliche Erfahrung überhaupt aufzufassen. Am deutlichsten tritt dies in der zunächst subtil verlaufenden, dann immer offeneren Wiederkehr gnostischer Motive in den europäischen Künsten und in der Philosophie hervor. Eines ihrer wirkungsmächtigsten Medien ist das Werk Martin Heideggers: er ist der Denker der Fremdheit des Menschen in der (modernen) Welt. Ist das Fremdwerden die beherrschende Lebenserfahrung aller Vertriebenen und Emigranten, so wird es bei vielen der Künstler unter ihnen zu einem prägenden Werkmotiv. Zu diesen Künstlern gehört Mascha Kaléko. Heidegger selbst hat eine starke Korrespondenz zwischen seinem Denken und dieser Dichterin empfunden und bezeugt. Der Vortrag spürt dieser nur scheinbar überraschenden Beziehung zwischen dem Philosophen und der Dichterin der Weltfremde nach.


An: redaktion@exil-club.de
Betreff: Erzählen im Exil
Sehr geehrte Damen und Herren, gerade lese sich von Ihrem Projekt, das ich für äußerst wichtig und lohnenswert halte. Ich habe meine Dissertation über Thomas Manns Schreiben im Exil geschrieben und habe dabei sehr viel gelernt über Erfahrungen im Exil und das Thema der "Integration". Gerne möchte ich Sie auf mein Buch hinweisen, das nicht bei den biographischen Exilerfahrungen stehenbleibt, sondern auch die Auswirkungen des Exils auf die Schaffenskraft und Erzählweise beleuchtet. Maria Giebel: Erzählen im Exil, Eine Studie zu Thomas Manns Roman "Joseph und seine Brüder", Frankfurt am Main 2001, (Peter Lang), ISBN 3-631-36687-6. Mit den besten Wünschen für ein gutes Gelingen des Projekts - Maria Giebel

"Toll war die Stimmung auf der Bildungsmesse vom 19. bis 23. Februar 2002 in Köln. Die Schüler haben bei der Präsentation des&Mac226;Exil-Club’ sehr engagiert mitgearbeitet. Zwischen Schülern und eingeladenen Gästen wurden zum Teil intensive Beziehungen geknüpft. Überhaupt waren die Begegnungen zwischen den Menschen das eigentliche Highlight. Christine Raudner und Prof. Josef Weizenbaum, Selma Klucanin und Safeta Obhodjas, Stefanie Seibert und Adolf Burger, Muharem Serbezovski und San Ademi u.u.u. Zum ersten Mal waren wir wirklich so etwas wie ein Club, eine Drehscheibe, die Menschen mit ganz verschiedenen und auch wieder sehr ähnlichen Lebenserfahrungen zusammengebracht hat.
Am fruchtbarsten war aus meiner Sicht der Samstag (23.2.), weil Sékou, Adé, Meli
(von Sisters and Brothers Keepers) und Ron Williams eine sehr überzeugende Art haben, mit den Schülern zu arbeiten. Auch (der indische, in deutscher Sprache schreibende Dichter) Anant Kumar passt gut zu dieser Generation. Wir müssen die Brücke vielleicht mehr von der Gegenwart zur Vergangenheit schlagen als umgekehrt. Über Brothers Keepers u.a. erreichen wir unsere Zielgruppe sowohl menschlich als als auch öffentlichkeitstechnisch. Überhaupt mehr mit Musikern und Musik arbeiten!!! Die "Keepers" machen demnächst eine Tour durch Schulen im Osten Deutschlands, weil
da das Problem der Fremdenfeindlichkeit natürlich besonders groß ist. Auf diesen Zug sollten wir aufspringen und diese Tour als Promotion in eigener Sache nutzen."
Heiner Bontrup, pädagogischer Betreuer des Online-Magazins Exil-Club.de, in einem Schreiben an den Vorstand der ELS-Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter-KünstlerInnen", die gemeinsam mit "Schulen ans Netz e.V.", Bonn, das Projekt betreibt.

Die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft lädt ein:

Veranstaltungen im Jahr 2002 finden Sie auf der
Seite für die Termine.


Kontakte zu Mitgliedern und Interessenten ergeben sich bei der einen oder anderen Veranstaltung in und außerhalb Wuppertals.

Sie können uns aber auch im neuen Büro anrufen

(49- 202 - 305198),

ein Fax schicken (49-202-7475433) oder eine

E-Mail vorstand@else-lasker-schueler-gesellschaft.de.

Wir freuen uns auf Sie –

Herzlich Ihr

Hajo Jahn


Else-Lasker-Schüler-Gessellschaft e.V. * Herzogstraße 42 * D- 42103 Wuppertal; Telefon: 0202-305198 / Fax:-7475433
e-mail: Hajo.Jahn@Else-Lasker-Schueler-Gesellschaft.de Homepages: http://www.Else-Lasker-Schueler-Gesellschaft.de http://www.Exil-Club.de
Vorsitzender: Hajo Jahn; Stellverteter.: Dr. Klaus Becker; Schatzmeister: Herbert Beil, Pressesprecher: Christian Sabisch,
Schriftführerin: Renate Dohm, Beisitzer: Wendla Boettcher-Streim, Prof.Manfred Brusten, Monika Fey sowie die Autoren
Herta Müller, Hans Joachim Schädlich und Jiri Grusa, Tschechien.
Bankverbindung: Stadtsparkasse Wuppertal, BLZ 330 500 00, Beitrags- u. Spendenkonto-Nr. 968 768; Stiftungskonto 902 999
ELS-Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen". Vorstand: Hajo Jahn, Christian Sabisch, Herbert Beil, Dr. Rolf Köster – Kuratoriumsmitglieder: Hans-Dietrich Genscher, Annemarie Renger, Dr. Jörg Mittelsten Scheid, Dr. Robert G. Guttmann, Jürgen Serke, Ingrid Bachér, Ursula Schulz-Dornburg.

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