"Vorbilder"

Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft verlor zwei Mitglieder, um die wir ganz besonders trauern: Zuerst schlief im Alter von 95 Jahren Tuvia Rübner am 29. Juli im israelischen Kibbuz Merchavia ein. Und am 13. September starb György Konrád in Budapest. Als der ungarische Dissident (während der kommunistischen Diktatur) und Schriftsteller 2004 zum XII. Else Lasker-Schüler-Forum nach Prag kam, hatte er seine lebenswichtigen Medikamente vergessen. Die Flughafen-Apotheke gab sie uns ohne Rezept, nachdem ich unser Programmheft gezeigt hatte, in dem Vaclav Havel, der tschechische Präsident, prominent vertreten war. Havel und Konràd diskutierten im Namen von Else Lasker-Schüler, die wie diese Autoren stets für Toleranz, gegen Nationalismus und Antisemitismus eingetreten sind. Es ging thematisch um das Engagement von Dichtern im Dienst an der politischen Sache. Also um ein demokratisches Europa. Und indirekt auch gegen Antisemitismus und Nationalismus.

Das waren auch die Themen, die Tuvia Rübner umtrieben, der an mehreren „Else-Foren“ in Deutschland und Israel teilgenommen hat. Er stammte aus einer deutschsprachigen Familie in Pressburg, Slowakei. Seine Eltern und seine Schwester wurden nach Auschwitz deportiert. Was dort passierte, weiß man. Er konnte sich mit anderen Jugendlichen nach Palästina durchlagen und kam in das Kibbuz Merchavia, wo er Ziegen und Schafe hütete. Der Hirte, der lange auf Deutsch mit seinen ermordeten Verwandten Zwiesprache hielt, wurde ein wunderbarer Dichter, Literaturwissenschaftler und Übersetzer. Tuvia Rübner hatte ein Wiedererstarken der Rechten in Europa befürchtet. Konrád hatte sich literarisch mit dem ungarischen Volksaufstand von 1956, dem Nationalsozialismus und seiner jüdischen Familiengeschichte beschäftigt. Von 1997 bis 2003 war er Präsident der Berliner Akademie der Künste. Der 86jährige verfolgte in letzter Zeit mit wachsendem Widerwillen die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Orban.

Und ich frage: Wo sind die Schriftsteller und Dichter der jüngeren Generationen, die sich öffentlich gegen Antisemitismus und Nationalismus positionieren wie diese verstorbenen Kollegen?

Auf sie trifft zu, was Johann Wolfgang Goethe über den Tod sagte: „Mich läßt dieser Gedanke in völliger Ruhe, denn ich habe die feste Überzeugung, daß unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur, es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit, es ist der Sonne ähnlich, die blos unsern irdischen Augen unterzugehen scheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet.

Konrad

Foto György Konrád © Wikipedia

TuviaRuebner

Foto Tuvia Rübner © Wikipedia