Wie ein Stachel im Fleisch – Georg Meistermann ist in Wittlich ausgegrenzt

Das willkürliche und verleugnungsreiche Verhältnis der Stadt Wittlich zu Person und Werk des Künstlers Georg Meistermann

Von Norbert Küpper

Im "Georg Meistermann-Saal" präsentiert das "Zentrum für Verfolgte Künste“ in Solingen den größten Teil der Bilder aus der "Sammlung Gerhard Schneider". Ein großformatiges Selbstporträt des Malers Meistermann und ein ähnlich dimensioniertes Glasbild des Künstlers, der Gegner und Opfer der Nationalsozialisten war, zeigen dort die Wertschätzung, die er in seiner Geburtsstadt erfährt. Aus der Nachbarstadt Wuppertal stammt Else Lasker-Schüler, deren Schicksal Auslöser für die Idee des "Zentrums" wurde. Im Studio des damaligen "Städtischen Museums Wuppertal" hatte  Georg Meistermann 1947 nach langjährigem Ausstellungsverbot seine erste Präsentation nach der NS-Diktatur. Aufgrund seiner Erfahrungen aus der NS-Zeit verteidigte er zeitlebens durch sein Werk und gesellschaftspolitische Äußerungen die Kunstfreiheit und Demokratie. Er empörte sich, wenn nationalsozialistische Traditionen wieder größeren Einfluss nehmen wollten. Beispielsweise verhinderte er die Rehabilitation des hochrangigen NS-Künstler Werner Peiner. 

Georg Meistermanns Verbundenheit zu Wittlich trifft auf Ablehnung der Ewig-Gestrigen

1949 entwarf er fünf Fenster für St. Markus in Wittlich. Es war sein erster größerer Kirchenauftrag. 1954 schuf er vier Treppenhausfenster mit dem Motiv „Die Apokalyptischen Reiter“ für das Alte Rathaus zu Wittlich. Das wurde dann, ergänzt durch großzügige Schenkungen, zeitweise zum Georg-Meistermann-Museum. Was eine Erfolgsgeschichte der "Wiedergutmachung" hätte werden können, wurde „braun“ eingetrübt und führte zu absurden Entwicklungen bis in die jüngste Gegenwart. Denn die Kinder und Kindeskinder der Täter und Mitläufer von damals scheinen wenig Empathie für die einstigen Opfer, wohl aber Sympathie für die Profiteure des Unrechtregimes zu empfinden. Dagegen nutzen sie Macht und Einfluss bis in die Entscheidungen der Stadtverwaltung und die Leserbriefspalten der Wittlicher Zeitung "Trierischer Volksfreund".

Die Stadt Wittlich hat ein großes Problem im Umgang mit der Schenkung von Georg Meistermann-Werken, die ihr von der Witwe Edeltrud Meistermann vermacht worden sind. Die Probleme eskalierten 2010 mit der gegen allen Widerstand von SPD und Grünen durchgesetzten Entscheidung des CDU-, FDP- und FWG-Stadtrates und der konservativ dominierten Stadtverwaltung, im damaligen Georg-Meistermann-Museum den ortsansässigen Bildhauer Hanns Scherl zu jubilieren. Scherl war NSDAP-Mitglied und wurde in mehreren Veröffentlichungen aus den 1930er Jahren auch als Oberscharführer der Hitler-Jugend genannt. Auch nach 1945 schuf er weiter Werke im Sinne der nationalsozialistischen Kunstideologie. Schon allein durch die konträren Biographien der beiden Künstler wäre eine solche Ausstellung nicht zu verantworten gewesen. Dieser Skandal führte auf Betreiben der fassungslosen Meistermann-Erbengemeinschaft zum Ende des Georg-Meistermann-Museums.

In der Folgezeit tat sich die Stadtverwaltung weiterhin schwer mit der Pflege der Meistermann-Schenkung. 2011 wurden ein Märchenbuch  und Fensterkartons zerschnitten und nur fragmentarisch in der Ausstellung  zum 100. Meistermann-Geburtstag präsentiert. Ein Triptychon wurde als Einzelbilder getrennt aufgehängt und dadurch im Inhalt verfälscht. Das wäre nie im Sinne des Urhebers gewesen. Auf einer Schrifttafel behauptete man jedoch, diese Urheberrechte zu respektieren. War dies reiner Dilettantismus oder steckte nicht vielmehr Spott dahinter? 

Wittlicher Eingriffe, um die umfassende Würdigung von Georg Meistermann zum 100. Geburtstag bundesweit zu verhindern

Man versuchte zudem den Verkauf des umfangreichen Katalogs „Das Leben des Menschen ist eingehüllt in Farbe – Georg Meistermann zum 100. Geburtstag“ im Kunstmuseum Solingen, Kunstmuseum Bayreuth und im Deutschen Glasmalerei-Museum Linnich von Seiten des Wittlicher Bürgermeisters Joachim Rodenkirch und der Wittlicher Stadtbüchereileiterin Elke Scheid, verbieten zu lassen. Ein wohl einmaliger Vorgang im Nachkriegsdeutschland. In diesem Solinger-Katalog sind die skandalösen Umstände, die zum Ende des Georg-Meistermann-Museums führten, wissenschaftlich umfangreich aufgearbeitet worden. Für dieses Wittlicher Beseitigungsunterfangen fand man sogar eine mit Glasmalerei und nationalsozialistischer Kunst völlig unvertraute Kunsthistorikerin, die bereitwillig eine Rezension verfasste, in der eine negativ wertende Einflussnahme seitens der Stadt Wittlich deutlich zum Ausdruck kam. Quasi eine politisch motivierte, kunsthistorische Auftragsarbeit.

Zuvor hatte Wittlichs Bürgermeister Rodenkirch Amtshilfe bei seinem Solinger Kollegen Oberbürgermeister Feith erbeten. Der Vortrag zu Georg Meistermanns 100. Geburtstag am 16. Juni 2011 von seinem Enkel und Nachlassverwalter Dr. Justinus Maria Calleen im Solinger Kunstmuseum sollte unbedingt verboten werden. Aus Angst vor einer bundesweiten Blamage aufgrund des Endes des Georg-Meistermann-Museums schien Herr Rodenkirch nicht davor zurückzuschrecken, eine Würdigung des Künstlers in seiner Geburtsstadt Solingen unterbinden zu wollen.

2012 wurden die Werke Georg Meistermanns in der so genannten Wittlicher „Galerie für Moderne Kunst“ mit Möbel-Objekten von Schreiner-Gesellen in völlig rücksichtsloser, kruder Weise, wie in einer Art Abstell- und Rumpelkammer, zugestellt. Es verwunderte Außenstehende kolossal, dass überhaupt Gesellenprüfungsarbeiten  von Handwerkern in einer „Galerie für Moderne Kunst“ ausgestellt werden. Wie die Ergebnisse zeigten, arbeitet das Ausstellungsprogramm der Wittlicher Kulturverwaltung in Fragen der modernen Kunst völlig konzeptlos sowie völlig respektlos gegenüber der Meistermann-Schenkung.

Museumswürdig? Hektisch und ohne Feingefühl sind die Möbelstücke vor die Informationstafel und den Originalentwurf des „Apokalyptischen Reiters“ abgestellt worden. Verpackungsmaterial legte man einfach in der Raumecke ab. 

Die demonstrative Missachtung der Meistermann-Schenkung treibt immer neue Blüten 

2013 wiederholte man die „Schreiner-Präsentation“ und behauptete, dass die handwerklich schlichten Gesellenstücke durch die Meistermann-Werke aufgewertet und geehrt würden. Man verstellte aber durch die inzwischen vor Ort bestens bekannte Abstell- und Rumpelkammertechnik gerade diese Kunstwerke erneut mit den Gesellenstücken. Man fragt sich abermals, ob es sich nur um Dilettantismus handeln kann. Zugleich wurden in einer Nebenausstellung Werke von Fritz Quandt gezeigt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Trierer Raum hauptsächlich als Dekorations- und Tapetenmaler tätig war. Kurzfristig hatte man diese Sonderausstellung verlängert, statt die Räume für die Schreiner-Präsentation zu nutzen. Man ließ die Sonderausstellung unangetastet. Dabei hätten die Möbelstücke der Schreinergesellen doch gerade zu einem Dekorations- und Tapetenmaler inhaltlich ideal gepasst. Ein halbwegs befähigter Kurator hätte sich diese Querverweise nicht entgehen lassen. Zumal sich solche Bezugspunkte eben nicht zu Georg Meistermann finden lassen und eine Zusammenlegung somit inhaltlich nicht gerechtfertigt werden kann. Aber in Wittlich überlässt man diese verantwortungsvolle  Tätigkeit einer Bibliothekarin, die sich ohne jede Kenntnisse der Bildenden Kunst dies als Nebentätigkeit  zutraut, beziehungsweise anmaßt.

Wem wird hier neuer Glanz verliehen oder droht nicht eher das an die Wand gelehnt Brett in den Meistermann-Entwurf zu stürzen und ihn zu zerreißen?

Als man 2014 die Besucherzahlen veröffentlicht, fällt auf, dass kaum Besucher zur Quandt-Ausstellung kamen und die Verlängerung gar nicht durch die frei erfundenen und somit nicht vorhandenen Besucherströme gerechtfertigt werden konnte.  Merkwürdig rätselhaft, diese willkürliche, rücksichtslose und auf Unwahrheiten basierende Ausstellungs-"Politik" der Stadt Wittlich. 

Das respektlose Zustellen von Meistermann-Werken veranlasste die Wittlicher Georg-Meistermann-Gesellschaft und den Nachlassverwalter Dr. Justinus Maria Calleen zu öffentlichen Stellungnahmen, die die Form der Präsentation und das Vorgehen der Wittlicher Kulturverwaltung kritisierte. Daraufhin erschien im "Trierischen Volksfreund" am 20./21. Juli 2013 der Artikel „Die hohe Kunst des Streitens“. Dort wurde der Eindruck erweckt, dass die Schreiner-Präsentation an sich ein Problem für die Kritiker sei. Die gewählt Foto-Auswahl ließ die chaotischen Verhältnisse nur erahnen. Die Aussagen der städtischen Kulturverwaltung wurden in keiner Weise gegenrecherchiert oder hinterfragt.

Eine Wittlicher Zukunftsvision? Von Meistermann sieht man keine Spur mehr. Dafür bietet die „Städtische Galerie für moderne Kunst“ nun die Möglichkeit für Public Viewing.

Die örtliche Tageszeitung zeigt sich an der Aufdeckung der Missstände völlig desinteressiert

In der Folgezeit erschienen dann Leserbriefe, die sich beleidigend gegenüber der Georg-Meistermann-Gesellschaft und den Werken des Künstlers äußerten. Ein Leserbriefautor schlug sogar vor, die Georg-Meistermann-Schule nach dem NSDAP-Mitglied und laut mehrerer Veröffentlichung in den 1930er Jahren Oberscharführer der Hitler-Jugend gewesene Hanns Scherl umzubenennen. Im Jahre 2013 sicherlich in Deutschland ein einzigartiger Vorschlag, eine Schule eines verfemten Künstlers in eine Schule eines vor Ort allgemein bekannten Nazi-Künstler umzubenennen. Dies zeigt, wie sehr dort einheimische Personen und ohne jede öffentliche Scham in „der Tradition der Ewig-Gestrigen verhaftet“ sind und dies sehr gerne in der Öffentlichkeit auch noch bekunden. 

Ein von mir am 1. August 2013 verfasster Leserbrief im Sinne der oben geschilderten Fakten und Ansichten,  wurde trotz mehrmaligen Nachfragens nicht veröffentlicht. Auch erhielt ich von der Redaktion des "Trierischen Volksfreundes" keine Antwort. Die Auswahl der veröffentlichten Leserbriefe gibt somit nicht das Spektrum der geäußerten Meinungen wieder. Meine Stellungnahme war offensichtlich unerwünscht. 

Dies wurde mir am 16. Mai 2014 vom redaktionellen Gebietsleiter Lars Ross ganz offen erklärt, als ich wegen der Veröffentlichung eines weiteren, von mir verfassten Leserbriefes zu einem Bericht über die Besucherzahlen der „Städtischen Galerie für moderne Kunst“ nachfragte. Wörtlich behauptet man: „Ihr Brief enthält – hier werden Sie mir sicher zustimmen - die gleichen Argumente und Vorwürfe, die Sie bereits mehrfach in Leserbriefen in unserer Zeitung geäußert haben. Diese entspringen einer grundlegenden Kritik der Wittlicher Kulturpolitik. Diese ist nachvollziehbar. Ein direkter Bezug zu dem Artikel, den Sie zum Anlass für Ihren Brief nehmen, ist mir nicht ersichtlich. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir nicht zu jedem Artikel über Kultur in Wittlich sehr ähnliche grundsätzliche Anmerkungen zur Scherl-Debatte veröffentlichen wollen.“  Ich hatte in dem Leserbrief die Besucherstatistik analysiert und vor allem auf die fehlenden Besucher bei der Quandt-Ausstellung hingewiesen. Eigentlich wäre diese Analyse die Aufgabe eines Journalisten gewesen. Eine Scherl-Debatte, wie mir unterstellt wurde, hatte ich keineswegs auslösen wollen. Am selben Tag erscheint jedoch ein großer, mit Fotos und Kommentar angereicherter Bericht, in dem ernsthaft über die Rekonstruktion einer Brunnenplastik des NS-Künstlers Hanns Scherl auf dem Gelände des Wittlicher Cusanus-Gymnasiums debattiert wird. Über die Verstrickung Hanns Scherl als Person und seiner Kunst mit den nationalsozialistischen Machthabern schweigt man wider besserem Wissens.

Meistermanns Glasfenster werden im Alten Rathaus mit Stoffbahnen zugehängt und der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich gemacht

Herr Ross sieht meine grundlegende Kritik als nachvollziehbar, nutzt die Informationen aber noch nicht einmal für seine journalistische Tätigkeit. Denn am 21. März 2014 wurde über eine Ausstellung des Wittlicher Werbefotografen Helmut Thewald in der „Städtische Galerie für moderne Kunst“ eine große Reportage veröffentlicht. Auch hier hätte sich Herr Ross und sein Team die Frage stellen müssen, ob angewandte Fotografie am richtigen Ort präsentiert wird.

Die Städtische Galerie ist im Alten Rathaus von Wittlich untergebracht. Neben den schon erwähnten „Apokalyptischen Reitern“ aus dem Jahr 1954 befinden sich dort zwei weitere bedeutende, mit „Gnadenstromfenster“ betitelte Arbeiten von Georg Meistermann aus dem Jahr 1963. Im selben Raum wurden nun unzählige von Thewalds Schwarz-Weiß-Fotoraphien als Fries gehängt. Dieser Fries erscheint an sich schon in der Rhythmik zu holprig und überladen. Da man die farbstarken Fenster als störend empfand, wurden sie mit weißen Stoffbahnen verhangen. Zuvor wurde in diesem Raum immer eine Korrespondenz zwischen den Sonderausstellungen und den fest eingebauten Fenstern hergestellt. Eine Verhängung der wichtigsten städtischen Kunstschätze hat sich bis zu diesem Zeitpunkt keiner in Wittlich gewagt, geschweige denn von Seiten der Künstler und Kuratoren überhaupt gewollt. Dies ist wohl der endgültige Beleg, dass man Georg Meistermann in Wittlich erneut verfemt, statt stolz die Kunstschätze zu pflegen und zu präsentieren. 

Eigens angereiste amerikanische Kunstliebhaber suchen Meistermann-Fenster im Wittlicher Alten Rathaus

Mit der Verhängung der Glasfenster hat man die Missachtung der Meistermann-Schenkung über das Chaos der Schreinerausstellungen erneut gesteigert. Denn nicht nur die Schreiner-Präsentation wurde 2014 wiederholt. Auch die Verhängung der Glasfenster wurde bei der folgenden Sonderausstellung mit der Sammlung von Friedel Drautzburg beibehalten. So dass die Glasbilder schon über ein Jahr der Öffentlichkeit vorenthalten bleiben. 

Der "Trierische Volksfreund" schweigt zu alledem. Kein einziger Hinweis findet sich dazu in der Ausstellungsbesprechung vom 21. März 2014. Herr Ross Verständnis für meine Kritik an der Wittlicher Kulturpolitik entpuppt sich als Lippenbekenntnis. Man fühlt sich beim "Trierischen Volksfreund" offensichtlich wohler in der Rolle des verleugnenden Helferhelfers für eine Rehabilitierung des ortsbekannten NS-Künstlers Scherl.

Stadtrat beschließt den Verkauf der Sammlung Hugo Möhl

Im Mai 2014 beschloss der Wittlicher Stadtrat kurz vor der Kommunalwahl eine erneut bundesweit einzigartige Entscheidung. Die Schenkung von ungefähr 850  Bildern des Sammlers und Künstlers Hugo Möhl, die die Stadt in den 1970er Jahren treuhänderisch angenommen hat, soll verkauft werden. Der Stadtrat beweist damit abermals ein besonderes Gefühl des Timings. Kurz nachdem die Öffentlichkeit anhand der Entdeckung der Gurlitt-Sammlung über den Umgang mit Raubkunst durch die Nationalsozialisten aufgeklärt wurde, bedient man sich in Wittlich ähnlicher Methoden. Man erachtet die Schenkung nicht der Stadt würdig, möchte aber gleichzeitig durch die Veräußerung der Kunstgegenstände Geld für sich und die eigene Stadtkasse verdienen. Spätestens jetzt wird deutlich, wer der Stadt Wittlich Kunst als Schenkung übereignet, ist „verkauft und verratzt“, wenn er nur einige Jahre unter der Erde liegt.

Dabei gilt es in Deutschland aufgrund des Umgangs der Nationalsozialisten mit der verfemten Kunst als allgemeingültig, dass man Kunstsammlungen, die eine öffentliche Institution als Schenkung angenommen hat, nicht verkauft. Dem Wittlicher Stadtrat ist das Vertrauen, dass der Sammler in die Stadt gesetzt hat, nichts wert. Auch die Bevölkerung möchte man nicht aufklären. Denn man erklärt zum einen nicht, wofür die eventuellen Gewinne aus der Versteigerung verwendet werden sollen. Zudem verschweigt man die Kosten, die im Vorfeld für die Beauftragung eines Kunsthistorikers  zur Begutachtung der Sammlung entstanden sind und behauptet voller Stolz, dass man nur Gewinne, aber keine Verluste machen wird. Was für eine rücksichtslose und geschichtsvergessene Missachtung der Kunst, als hätte es die Verfemung und den Ausverkauf der Kunst durch die Nazis nie gegeben. Als wenn dies nicht schon empörend genug sei, wählt man als Ort für die Versteigerung die ehemalige Synagoge.  

Wie skandalös die Wittlicher Versteigerung der Möhl-Schenkung ist, lässt sich an einem Parallelfall erkennen. Zeitgleich zur Versteigerung im Oktober 2014, decken die Medien auf, dass eine Tochter der landeseigenen NRW-Bank, die Westspiel AG, mit dem Verkauf zweier Warhol-Bilder aus der hauseigenen Sammlung ihre defizitären Bilanzen ausgleichen möchte. Gegen diesen Plan intervenierte die Kulturstaatssekretärin des Bundes Monika Grütters und verlangte von der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die geplante Versteigerung zu stoppen. 

Die vom Wittlicher Stadtrat beschlossene Versteigerung der Möhl-Werke lässt für die Meistermann-Schenkung nichts Gutes erahnen. Vor allem, wenn man die oben aufgelisteten Missachtungen in Betracht zieht. In Wittlich verfolgt man allen Anschein nach das langfristige Ziel, sämtliche moderne Kunstwerke aus der Stadt zu verbannen, damit der NS-Künstler Hanns Scherl glänzt und damit gleichzeitig die städtischen Verbrechen aus der NS-Zeit verleugnet werden können. Öffentlich wagt sich in Wittlich keiner zu opponieren. 

Wieso gibt die Stadt Wittlich die Schenkung nicht einfach zurück?

Weil aber Wittlich überall in Deutschland sein kann und die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft ihre Erfahrungen mit der Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit im Fall des "Nazi-Bankiers“ Eduard von der Heydt hat, reichte ich diesen Beitrag für eine Veröffentlichung an dieser Stelle ein. Denn der "Fall Wittlich" scheint mir exemplarisch zu sein für den Umgang mit unseren verfolgten und verfemten Künstlern. Und dies ganz unabhängig von der populistischen Quoten- und politischen Ausstellungsstrategie der Stadt Wittlich, die ganz bewusst und ohne jeden, hauseigenen Kunstexperten ihre Entscheidungen hemdsärmelig im Alleingang fällt.

Zum Glück gibt es jedoch auch andere Möglichkeiten, um öffentlich darauf hinzuweisen, dass die Stadt Wittlich die gebotene Sorgfaltspflicht gegenüber der bedeutenden Georg-Meistermann-Schenkung seit Jahren umfangreich vernachlässigt und grob missachtet! Spätestens seit dem großen TV-Artikel (7.3.2013) von Stefan Hentschel weiß jeder in der Wittlicher Region, dass die Nazi-Kunstwerke des NSDAP-Mitgliedes und laut mehrerer Veröffentlichung in den 1930er Jahren Oberscharführer der Hitler-Jugend gewesene Hanns Scherl, nicht mit Georg Meistermann zusammen ausgestellt werden dürfen. Statt jedoch aufzuklären, wird seit 1945 die NS-Biografie des völkischen, ortsansässigen “Blut- und Boden-Künstlers” Hanns Scherl (1910-2001) von der Stadt Wittlich permanent und mit allem Nachdruck verleugnet.

Die Folgen: Wie oben geschildert, fordert man jetzt sogar, die Georg-Meistermann-Schule in Scherl-Schule umzubenennen. 2011 zerschnitt die Stadt Wittlich Meistermanns Märchenbuch und einige seiner Fenster-Kartons.  Der ehemals verfemte Künstler Georg Meistermann scheint ein Stachel im Fleisch der Wittlicher Vergangenheitsverleugner und daher einer posthumen Diffamierung ausgesetzt zu sein. Da die Stadt Wittlich offensicht nicht daran interessiert zu sein scheint, fach- und sachgerecht mit der Meistermann-Schenkung umzugehen, sollte sie diese der Meistermann-Familie besser sofort zurückgeben, damit sie diese eine andere Stadt, wie zum Beispiel Solingen, vermachen kann. Die Meistermann-Familie würde sich über eine solche Gelegenheit der Widergutmachung im Namen von Prof. Dr. Edeltrud und Prof. Georg Meistermann sehr freuen!

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Vita Norbert Küpper 

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Weitere aufschlussreiche Beiträge über den Wittlicher Kulturskandal finden Sie unter:

http://www.derschwebendepunkt.eu, http://www.meistermann-gesellschaft.de und http://de.wikipedia.org/wiki/Altes_Rathaus_%E2%80%93_St%C3%A4dtische_Galerie_f%C3%BCr_moderne_Kunst