"Verbrannte Dichter" sollen nicht vergessen werden

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3.Mai 2013

Durch die Barbarei der Nazis gerieten Künstler in Vergessenheit. Ein Museum in Solingen erinnert an diese verlorene Generation. Intellektuelle machen sich stark für ein Zentrum für verfolgte Künste. Von Dorothea Hülsmeier

Lohndruecker

Foto: dpa Das Buch "Der Lohndrücker" von Heiner Müller im Kunstmuseum in Solingen

"Man verbrannte die Bücher, meinte aber die Menschen", heißt es zu Beginn der Dokumentation "Die verbrannten Dichter" im Kunstmuseum Solingen. Dem einstigen "Stern"-Journalisten Jürgen Serke ist mitzuverdanken, dass die auf den Scheiterhaufen der Nazis 1933 verkohlte Literatur nicht in Vergessenheit geriet. Mit seinem 1977 erschienenen Buch "Die verbrannten Dichter" holte er fast vergessene, von den Nazis verfemte Literaten wieder ans Licht und erweckte in Deutschland ein immenses Interesse an der Exilliteratur.

Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Franz Kafka oder Bertolt Brecht kennt jeder. Aber wie ist es mit Hugo Sonnenschein, der sich literarisch in den Vagabunden Sonka verwandelte, Auschwitz überlebte und 1953 in einem kommunistischen Gefängnis in der Tschechoslowakei starb? Oder Armin T. Wegner, der 1933 Hitler in einem Brief vor der Verfolgung der Juden warnte und das mit KZ-Haft bezahlte?

Auch Ernst Toller, Claire Goll, Mascha Kaléko verankerte Serke mit seinem Buch und einer Porträtreihe im "Stern" wieder im Literaturkanon. Die einst viel gelesene Irmgard Keun ("Das kunstseidene Mädchen") wurde durch Serke wieder entdeckt und neu verlegt. "Das ist mein Lebensthema", sagt der 75-jährige Serke. Seine literarischen Wiederentdeckungen veränderten seinerzeit das Denken in der Bundesrepublik.

Heimat abseits der Metropolen

Ein Domizil hat die rund 3000 Objekte umfassende Sammlung Serke seit einigen Jahren in Solingen. Fernab der Metropolen wird im dortigen Kunstmuseum eine kleine, berührende Literaturdokumentation von kostbaren Erstausgaben, Briefen, Fotos präsentiert. Auch rund 3000 Gemälde einst verfemter Künstler der privaten Sammlung Gerhard Schneider haben in Solingen eine Heimat gefunden.

Serke beschränkte sich nicht auf die Bücherverbrennung. In der Abteilung "Heldensterben in der DDR" dokumentiert er, wie antifaschistische Widerstandskämpfer wie Anna Seghers oder Johannes R. Becher sich der SED-Diktatur unterwarfen. In der dritten Sektion mit dem sprechenden Namen "Böhmische Dörfer" macht Serke mit fast vergessenen deutschsprachigen Autoren der Prager Literatur bekannt.

Nicht Zahlen berühren, sondern die Menschen und ihre Schicksale, das ist die Meinung von Museumsleiter Rolf Jessewitsch. "Wenn Personen aus dem Dunkel der Geschichte kommen, rührt das an."

Deutschland tut sich schwer

Doch wenn es um einen Ort des Gedenkens für die von den Nazis verfolgte Kunst und Literatur geht, tut sich Deutschland schwer. Seit Jahren kämpft das Museum zusammen mit der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft für ein Zentrum für verfolgte Künste, das das Gedenken an eine vertriebene und verlorene Generation von Künstlern bewahrt. Unterstützt wird der Plan von namhaften Intellektuellen wie Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller.

Doch das Projekt kommt nur schleppend voran. Anfang Juli soll das Zentrum für verfolgte Künste als GmbH endlich aus der Taufe gehoben werden. Finanziell wird es vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), der Stadt Solingen und einer Bürgerstiftung getragen. "Das Zentrum ist einzigartig, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa", sagt Serke.

Es fehlen nur ein paar Euro

Bisher drohen Projekte des noch im Aufbau befindlichen Zentrums an vergleichsweise kleinen Geldbeträgen zu scheitern. Für eine in Südfrankreich geplante Ausstellung "Kunst und Résistance" fehlen Museumsleiter Jessewitsch zufolge noch 9000 Euro. Das Auswärtige Amt gab 10.000 Euro. "Das Zentrum ist noch nicht da, aber es wird schon nachgefragt", sagt Jessewitsch. "Das zeigt, wie notwendig es ist." Gemeinsame Projekte gibt es auch in Berlin und Prag.

Zumindest im Internet kommt der Aufbau eines virtuellen Museums für Künste im Exil voran. Zusammen mit der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt, dem Marbacher Literaturarchiv sowie auch den Solingern und anderen Häusern hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Aufbau einer Internet-Plattform auf den Weg gebracht. Die Schicksale der in der NS-Zeit vertriebenen Künstler sollen mit Berichten über spätere Exile und Emigrationsbewegungen aus der ehemaligen DDR und Osteuropa verbunden werden.