Solinger Tageblatt 27.02.2012
Prof. Dr. Klaus W. Niemöller, Dr. Justinus Maria Calleen, Siegmund Ehrmann, Dogan Akhanli, Dr. Volker Canaris und Fritz Pleitgen (v. l.) sprachen gestern über die Ausrichtung des Zentrums für verfolgte Künste. Foto: cb
Erstmals haben gestern im Kunstmuseum Solingen prominente Fachleute über das hier geplante Zentrum für verfolgte Künste diskutiert. „Welche Rolle kann dieses Zentrum spielen in einem deutschlandweit gespannten Netzwerk?" Mit dieser Frage und der Nennung möglicher Beteiligter – Nationalbibliothek, Marbacher Literaturarchiv – leitete Oberbürgermeister Norbert Feith die hochkarätig besetzte Veranstaltung ein. In der rund zweieinhalbstündigen Diskussion ging es hauptsächlich um die Ausrichtung des Zentrums. Dieses soll bis zum Sommer durch einen Vertrag zwischen der Stadt und dem LVR Rheinland entstehen.
Biografischer, interdisziplinärer und zeitaktueller Ansatz
In der Expertenrunde verfolgte Kunsthistoriker Dr. Justinus Maria Calleen neben einem „Maximum an Autonomie" für das Zentrum einen „Ansatz über Kinder und Jugendliche", denn: „Wer Kultur fördert, fördert auch Bildung", betonte der Enkel des Solinger Künstlers Georg Meistermann. Leider gebe es heute einen Verlust, Jugendlichen, die danach dürsteten, Werte vorzuleben. Beim auszuarbeitenden Konzept müsse man dann über die Biografie der Menschen einen Zugang zum Thema schaffen, erklärte Siegmund Ehrmann. „Wie erreiche ich die Emotionalität der nächsten Generation, so dass sie in Zivilcourage sichtbar wird? Ich denke, dass es deshalb dieser Orte bedarf, wo man sich mit allen Sinnen diesen Persönlichkeiten stellen kann", sagte der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag unter Applaus der Zuhörer.
Entsprechende Dokumente seien zu sammeln und zugänglich zu machen – und zwar interdisziplinär, also nicht nur die Malerei, sondern auch zum Beispiel die Literatur betreffend: „Verschiedenste Künstler haben gelitten", resümierte Musikhistoriker Prof. Dr. Klaus W. Niemöller.
Und sie leiden auch heute, wie der 1991 aus der Türkei nach Deutschland geflohene Schriftsteller Dogan Akhanli am eigenen Fall erläuterte. Ihm gehe es generell um die „Aufarbeitung der Herkunftsgeschichte".
Soll das Solinger Zentrum in diese Richtung bundesweit strahlen, so Ehrmann, gehe es nun um die Klarheit des Konzeptes, die Kooperationen und die Frage, was zentral und was dezentral laufe. dn