Argumente
Begründung
Argumente
für die Bewerbung des BERGISCHEN LANDES als „Kulturhauptstadt Europas"
Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Aber neben viel Licht gibt es auch Schatten. Es sind die zwei Seiten einer Medaille, die diese Region so lebendig, interessant und so europäisch machen.
- Vier miteinander verwobene und zerstörte bergische Großstädte (Wuppertal, Solingen, Remscheid mit dem benachbarten Leverkusen), verbunden durch die Wupper, sowie die bergischen Landkreise Mettmann, Oberberg und Rhein-Berg bilden seit Ende des Zweiten Weltkriegs zuerst eine „Notge-meinschaft" für den Wiederaufbau und Hilfe zur Selbsthilfe, die seit 1949 als „Arbeitsgemeinschaft" KAG modellhaft für Europa bis heute auf freiwilliger Basis arbeitet. Düsseldorf, ehemalige bergtische Residenzstadt, ist Gastmitglied.
- Das Bergische Land hat mit Ausstellungen der Expressionisten schon vor 100 Jahren Avantgarde-kunst gezeigt und mit der Fluxus-Bewegung um Joseph Beuys, Name June Paik, Wolf Vostell und Bazon Brock deutsche und internationale Kunstgeschichte geschrieben. Heute geschieht das mit dem Bildhauer Tony Cragg in dem von ihm gegründeten „Skulpturenpark" in Wuppertal. Bergische Unternehmer haben große Kunstsammlungen zusammengetragen.
- Das „Deutsche Zentrum für Verfolgte Künste" im Kunstmuseum Solingen ist eine weltweit einmalige Einreichtung mit einer einzigartigen Bildersammlung verfolgter und verfemter Maler und der renom-mierten Jürgen Serke-Sammlung Exilliteratur sowie der größten deutschen Sammlung von einst als „entartet" beschlagnahmter Originalzeichnungen von Else Lasker-Schüler, sechs Thomas Mann-Originalbriefen aus dem Exil u.a. Exponate zum Thema Zensur, Verfolgung und Exil von Künstlern sowie einer pädagogischen Website www.exil-club.de und einem virtuellen Zentrum mit rd. 1.600 Biografien verfolgter Künstler einst und jetzt unter www.exil-archiv.de
- Das Bergische Land ist eine Wurzel der Industriealisierung auf dem europäischen Kontinent, begin- nend mit dem „Garnnahrungsprivileg" bergischer Herzöge von 1527: Entscheidend für die Entwicklung zuerst des Textilgewerbes mit Handel und Wandel über Europa bis Afrika und Südamerika. Aber auch die „Missionierung" durch bergische Protestanten („Rheinische Mission") in Afrika und Asien (heute „Centre for Mission and Leadership Studies" mit einer Völkerkundesammlung, auch zu den Problemen der Kolonisierung). Die Frühindustriealisierung führte zur Gründung der
- Ersten Industrie- und Handelskammer nach preußischem Recht und war u.a. Basis für die spätere Chemische und Kunststoffindustrie ( Aspirin, Sulfonamide, Kupferseidenstrümpfe für Damen, Reifen mit Kunststoffkarkassen für Fahrzeuge aller Art) aber auch für die Produktion und weltweiten Export von Messern, Werkzeugen, Schlössern etc. – dokumentiert in einzigartigen Einrichtungen wie
- Deutsches Klingenmuseum (Solingen), Deutsches Werkzeugmuseum (Remscheid), Deutsches Schloss- und Beschlägemuseum (Velbert) und dem Historischen Zentrum (Wuppertal)
Auswirkungen dieser Frühindustriealisierung:
- Umweltbelastungen von Flüssen, Bächen und Luft, Kinderarbeit, Ausbeutung menschlicher Arbeits-kraft, erste Gastarbeiter-Ansiedlungen und soziale Verarmung wie sie die weltbekannte Dichterin Else Lasker-Schüler auch in ihrem Schauspiel „Die Wupper" schildert. Das „Wuppertaler Institut" genießt heute Weltgeltung in Sachen Klimaforschung.
- „Elberfelder System" auch „Elberfelder Modell" genannt, passte ab 1853 die kommunale Armenverwaltung für die damalige Zeit vorbildlich den Bedingungen der Industriegesellschaft an – Vorbild für Städte wie Köln, Münster, Breslau und europäische Kommunen und Gesetze angeblich in den Niederlanden und England.
- Bergische Industriepioniere wie Heinrich Kamp gründeten mit Friedrich Harkort Firmen wie die spä-tere Weltfirma DEMAG, Handelsverbindungen wie die „Rheinisch-Westindische Kompagnie", den Deutsch-Amerikanischen Bergwerksverein. Kamp wollte unter Napoleon den Anschluss des Bergi-schen Landes und des Rheinlands an Frankreich, und sorgte für einige der ersten Eisenbahnver-bindungen Deutschlands.
- Friedrich Engels, Industrieellensohn aus Barmen, ging nach Manchester, das mit seinen Textilmaschinen Vorbild war (und Anlass für frühe Industriespionage). Um sich und die USA vor Produkten aus Deutschland zu schützen, wurde von England aus die Einführung von Markenschutz initiiert, was zum Begriff „Made in Germany" führte. Vorausgegangen war das Solinger Messermacher-Privilegium von 1571, das im 20. Jahrhundert zu dem weltweit bekannten
- „Me Fecit Solingen" führt, gemacht in Solingen, oder Made in Solingen. Aus der Nachbarstadt Remscheid stammen die Brüder Mannesmann, Erfinder der nahtlosen Industrierohre. Und
- Wilhelm Conrad Röntgen, Entdecker der nach ihm benannten Strahlen und damit Begründer der Röntgendiagnostik.
- Die Knochen des „Neanderthalers" wurden 1856 im heutigen Kreis Mettmann von dem Wuppertaler Naturforscher Johann Carl Fuhlrott als ein vorzeitlicher Mensch erkannt. Das „Neanderthal-Museum" wird jährlich von 170.000 Besuchern frequentiert.
- Beispiele bürgerlicher und volkstümlicher Kultur sind das Von der Heydt-Museum in Wuppertal mit einer international renommierten Bildersammlung des 19./20. Jahrhunderts, aber auch die volkstümlichen Chöre, die im Zuge der Frühindustrialisierung entstanden. Der älteste Männerchor Deutschlands ist der MGV Meigen von 1801 in Solingen.
- Attraktionen sind die Wuppertaler Schwebebahn (von 1900) sowie die Müngstener Brücke, 107 m hoch die höchste deutsche, einst sogar höchste Eisenbahnbrücke Europas. Sie verbindet Solingen mit Remscheid. Das Schwebebahngerüst, die Müngstener Brücke verdanken ihr Bauprinzip wie der Eiffel-Turm dem Konstrukteur und Unternehmer William Fairbairn aus Manchester. Er hat die Vernietung von Stahlplatten erfunden und damit den modernen Schiffbau und Brückenbau Pionierdienste erwiesen. Die auf sein Prinzip basierende Britannia-Brücke verbindet Schottland mit England.
- Weltberühmte „Bergische" sind u.a. Friedrich Engels, Pina Bausch (mit ihrem Ensemble) und die malende Dichterin Else Lasker-Schüler. Ihre Biographie steht stellvertretend für die Verfolgung tausender Künstler und anderer Intellektuellen und führte zur Gründung des weltweit einzigartigen
- „(Deutschen) Zentrums für Verfolge Künste". Mit Sitz in Solingen soll es an die Verfolgung und die Emigration in europäische Länder und Übersee erinnern, aber auch die Gegenwart einbeziehen und eine zeitgemäße Erinnerungskultur schaffen, an der sich junge Menschen, zumal solche mit Migrationshintergrund orientieren können. Zu den Exilanten gehörte u.a. auch
- Paul Alsberg. Der gebürtige Wuppertaler, aus dem KZ gerettet, wurde Staatsarchivar Israels, hat das Archivwesen Israels gestaltet und u.a. den „Eichmann-Prozess" dokumentiert. Adolf Eichmann, „Endlöser der Judenfrage" stammt aus Solingen, wo am 29. Mai 1993 ein Brandanschlag auf die türkische Familie Genc erfolgte, bei dem fünf Frauen und Mädchen ums Leben kamen. Das Gedenken daran dient erfolgreich der Aufarbeitung und Verständigung. Das „Deutsche Zentrum für Verfolgte Künste" arbeitet real und im Internet gegen Fremdenhass und Antisemitismus – für Toleranz mit den Werken und Biographien von vorbildhaften Künstlern, sogar Sportlern. Ein internationales und zeitloses Thema.
Dazu gehören auch die zahlreichen europäischen und übrigen Städtepartnerschaften. Herausragend, weil die ersten zwischen einer deutschen Stadt (Wuppertal) mit
- Israel - Beer Sheva
- Tschechoslowakei/Slowakei - Kosice
- Nicaragua – Matagalpa
- Polen – Liegnitz sowie Städtefreundschaften mit
- Russland – Jekatarinenburg
- China – Xinxiang und Provinz Quindao.
- DÜSSELDORF ist Gastmitglied der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Bergisch Land. Die Landeshauptstadt war früher Residenz der Bergischen Herzöge. Sollte das an Kultureinrichtungen reiche Düsseldorf sich beteiligen, würde das dem Vorschlag noch mehr Gewicht verleihen.
Begründung
für die Kulturhauptstadt-Bewerbung Bergisch Land mit Düsseldorf
Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft mit ihrem Deutschen Zentrum für Verfolge Künste hat den in der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Bergisch Land zusammengeschlossenen Städten Wuppertal, Solingen, Remscheid und Leverkusen sowie den Landkreisen Oberberg, Rhein-Berg und Mettmann vorgeschlagen, diese älteste Industrieregion auf dem Kontinent möge sich um den Titel „Kulturhautstadt" ab 2020 bei der Europäischen Kommission bewerben. Die Schreiben dazu gingen auch an Düsseldorfs OB Dirk Elbers (Düsseldorf ist Gastmitglied der KAG und war Residenzstadt der Bergischen Herzöge), an den Bildhauer Tony Cragg, der in Wuppertal einen großartigen Skulpturenpark initiiert hat und Präösident der Kunstakademie Düsseldorf ist, an die Museen wie Neanderthal-Museum, Von der Heydt-Museum Wuppertal und diverse, in ihrer Art einmaligen Deutschen Museen der Region. Ferner an die bergischen Abgeordneten im Landtag NRW, im Bundestag und im Europä ischen Parlament.
Die ELS-Gesellschaft hat unter ihren rund 1.400 Mitgliedern viele aus anderen Ländern, darunter Zeitzeugen die aus NS-Deutschland flüchten mussten oder aus kommunistischen Diktaturen stammen wie Herta Müller, Rumänien, Reiner Kunze, DDR, Riszard Krynicki in Polen, Milan Uhde in Tschechien oder William Meiland in Moskau.
Nach Else Lasker-Schüler-Foren in Israel, Polen, Tschechien, der Schweiz, Italien und Österreich, wo sie sich als erste deutsche Literaturgesellschaft mit einer breiten kulturellen Palette präsentiert hat, kam immer wieder die Frage, wann so etwas europäisch institutionalisiert werden könnte. Da bot sich die Idee, sich um den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" zu bewerben, zwangsläufig an. All diese Länder haben mit deutscher und europäischer Weltkrieg-Zwei-Geschichte zu tun. Daraus resultieren bis heute Probleme. Neue sind hinzu gekommen.
Ganz vorn steht die Einwanderung/Flucht von Menschen aus Kriegs- und Krisenregionen. Bislang wurde das unseres Wissens nach noch nie bei einer der bisherigen Kulturhauptstädte besonders herausgestellt. In Solingen ist das "Zentrum für verfolgte Künste" im Aufbau. Im Mittelpunkt steht- neben einer Bildersammlung verfemter Maler - vor allem eine Exilliteratursammlung mit Werken von Dichtern, Schriftstellern und Journalisten, die über die Türkei, Frankreich, Italien, Holland, die Schweiz, Spanien, Portugal nach England, Südafrika, in die USA und Südamerika bis nach Australien geflohen sind. Die Parallelen bieten sich an. Es ist der Link zu heute. Vermittelt über Biografien widerständiger, vorbildhafter Persönlichkeiten mit greifbaren, nachvollziehbaren Werken, in denen überliefert ist, was und wie etwas passierte, das sich ähnlich widerholen könnte. Aus der Vergangenheit lässt sich für die Gegenwart lernen, wie wir in Europa miteinander verbunden sind, auch Toleranz lässt sich dadurch vermitteln angesichts der Schwierigkeiten zwischen Muslimen und christlich geprägten Gastländern, in denen sich auch wieder verstärkt Antisemitismus breit macht. Es gilt ja die Zukunft zu meistern. Auch das könnte, sollte Anliegen einer "Kulturhauptstadt" sein.
Das Bergische Land als älteste Industriegebiet auf dem Kontinent hatte damals Probleme zu lösen, die auch heute noch in vielen Ländern aktuell sind: Umweltbelastungen. Die Luft war schwer atembar und die Wupper war "der schwärzeste Fluss der Welt", so die verfolgte Jüdin Else Lasker-Schüler. Schon damals kamen erste Gastarbeiter aus Regionen ohne Arbeit ins Bergische Land. Sie zu integrieren war eine Herausforderung. Es gab Arbeiteraufstände lange vor den Weberaufständen in Schlesien. Das "Elberfelder System" war eine Versorgungsleistung für Arme.
Was bei der aus dem Bergischen kommenden Missionsbewegung in Afrika und Asien misslungen/gelungen ist, hat Auswirkungen bis heute.
Wie man aus Trümmern und kaputter Infrastruktur gemeinsam wieder aufgebaut und sich geholfen hat, hat die "Notgemeinschaft Bergisch Land" nach dem Zweiten Weltkrieg bewiesen. Ähnliches ist von anderen bedeutenden Region nicht bekannt. Es könnte beispielhaft herausgestellt werden für kriegszerstörte Regionen wie etwa auf dem Balkan.
Angeschrieben wurde auch Düsseldorfs OB Dirk Elbers: Düsseldorf war die damals unbedeutende Residenzstadt der bergischen Herzöge. Heute ist sie Gastmitglied der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Bergisch Land. Sollte sich die Landeshauptstadt mit ihren großartigen kulturellen Einrichtungen wie K 20, K 21 und "museum kunstpalast", NRW-Forum und der Kunsthalle mit dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen einer möglichen Bewerbung anschließen, bekäme eine Bewerbung der Bergischen noch mehr Substanz und Gewicht.
Entschieden wird über die Kulturhauptstädte in Brüssel. Natürlich sind Mannheim und Stuttgart interessante und starke "Konkurrenten". Doch wenn eine "europäische Kulturhauptstadt" nicht reine Selbstdarstellung und Selbstvermarktung sein soll, dann hätte das Bergische Land Chancen neben den anderen Bewerbern: Eine Region mit einer langen Geschichte, eine Region, aus der der Neandertaler kommt, ein Tony Cragg heute weltweit bekannte Bildhauer in seinem Skulpturenpark ausstellt und Spezialmuseen die industrielle Vergangenheit für die lebenden Generationen verdeutlicht.