Die Deutsch-Amerikanerin Geertje Suhr ist die Else Lasker-Schüler-Lyrikpreisträgerin 2020. Zur Begründung übernahm die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft ein Zitat des Dichters Peter Rühmkorf: Ihre „Gedichte sind wirklich und wahrhaftig gut. Was jeder Künstler, jede Künstlerin sich am heftigsten erwünscht, am herzlichsten herbeisehnt, einen eigenen Sound, sie hat ihn gefunden. Was man mit künstlerischen Aufwänden allein nie zuwege bringt, eine vielfach gebrochene Stimme in die Fläche zu treiben, sie hat es erreicht. Dabei scheint mir, was sie schreibt, so intellektuell wie beinah-noch unbeleckt, also unschuldig, also einfältig, also poetische Urwahrnehmung, ein ganz sonderbares Gemisch.“
Geertje Suhr besitzt die deutsche und die US-Staatsbürgerschaft. Sie lebt in Chicago. Geboren wurde sie 1943 in Prag. Ihr leiblicher Vater war SS-Obersturmbannführer, wurde später wegen Kriegsverbrechen angeklagt und hat sich 1946 in der U-Haft das Leben genommen.
1965 entstanden die Texte „Die Marschallin“ und „Teufelsaustreibung“. Seit den späten 1980er Jahren veröffentlichte Geertje Suhr Lyrik und Prosa.
Sie studierte Germanistik, Romanistik, Geschichte und Psychologie in Deutschland und der Schweiz und ließ sie sich nach ihrer Heirat 1971 in Chicago nieder. Dort wurde sie 1980 mit einer Arbeit über „Die Wandlungen des Frauenbildes in der Lyrik Heinrich Heines“ promoviert. Ihr jüngster Lyrikband erschien 2018 unter dem Titel „Immer rein ins Herz mit der Feder“ bei Grupello, Düsseldorf. Bei diesem Verlag hat sie die meisten ihrer Gedichtbände, Romane und Geschichten veröffentlicht.
Das Preisgeld von € 3.000 kommt vom Literaturbüro NRW e.V. Die Laudatio hält am 20. März 2020 in Wuppertal die SPIEGEL-Korrespondentin Susanne Koebl. Sie betreut das Berliner „Poetry Project“, zu dem auch die sechs jungen afghanischen Asylbewerber gehören, die ihre traumatischen Fluchterfahrungen lyrisch verarbeitet und dafür vor zwei Jahren den Else Lasker-Schuler-Lyrikpreis erhalten haben
Mit der Deutsch-Amerikanerin setzt die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft die Reihe ungewöhnlicher Lyrikpreisträger fort. Waren es 1994 mit dem zu früh verstorbenen Thomas Kling und 1996 mit Friederike Mayröcker „nur“ Sprachkünstler hohen Grades, so wurden mit der Ehrung von Safiye Can (2016) und sechs afghanischen jungen Flüchtlingen (2018) auch politische Zeichen gesetzt. Safiye Can ist die in Deutschland geborene Tochter von Tscherkessen aus der Türkei, die dort eine Minderheit sind. Mit ihren Gedichten ist die Deutsche eine Grenzgängerin zwischen Orient und Okzident wie einst Else Lasker-Schüler.
Die Preisverleihung findet am 20. März um 19 Uhr im Forum der Stadtsparkasse Wuppertal statt. Mit der Lesung „Herz im Exil“ stellt sich die ELS-Lyrikpreisträgerin Geertje Suhr am 21. März im Amerika-Haus Köln vor. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Literaturhaus Köln um 19.30 Uhr im Amélie Thyssen Auditorium, Apostelnkloster 13-15 als „lyrisch-musikalisches Doppelporträt“ statt: Geertje Suhr liest ihre Texte, die Wuppertaler Schauspielerin Julia Wolff rezitiert Gedichte von Else Lasker-Schüler. Das musikalische Rahmenprogramm gestaltet das „Loren Stillman-Quartet“ - der namensgebende Bandleader ist Amerikaner. Moderation: Hajo Jahn, Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, Wuppertal.