Gedenkort wird kenntlich – zur Nachahmung empfohlen

Am 13. April 2019 wurde in Ehingen/Donau eine Gedenktafel für Menschen des Widerstandes gegen das NS-Regime feierlich vom Stifter Veit Feger, Ehingen, vom Künstler Gerold Jäggle, Ertingen, und Ehingens  Oberbürgermeister Alexander Baumann übergeben.

Bereits 2006 hat der Ehinger Gemeinderat auf Vorschlag seiner Grünen-Fraktion den künftigen Straßen in dem damals erst geplanten, sehr großen Wohngebiet „Rosengarten“ die Namen  von Menschen des deutschen  Widerstandes gegeben (Liste am Schluss dieses Textes).

Inzwischen stehen die ersten Straßennamensschilder.

Dass es sich bei dem Baugebiet „Rosengarten“ um ein einheitlich „beschriftetes“ Gebiet handelt, war bisher nicht leicht ersichtlich. Ehinger Grüne engagierten sich nun, dass diese Besonderheit sichtbarer wird. Veit Feger beauftragte den Ertinger Bildhauer Gerold Jäggle mit dem Entwurf und der Erstellung der Gedenktafel. Die Stadt Ehingen stellte eine Fläche für dieses Denkmal an der wichtigsten Zufahrt zu dem Neubaugebiet „Rosengarten“ zur Verfügung und ließ den Sockel des Denkmals betonieren.

Am Samstag, 13.4.2019, wurde die metallene Stele mit den eingravierten Namen dem neuen Eigentümer,  der Öffentlichkeit, übergeben.

 Oberbürgermeister Alexander Baumann dankte dem Spender und den weiteren Initiatoren.

 Gertrud Graf vom achtköpfigen  Sprecherrats der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen  in Baden-Württemberg (LAGG)  würdigte den Beschluss des Gemeinderats im Jahr 2006 und die Unterstützung der Stadt jetzt für die Errichtung der Gedenktafel.

 Stifter Veit Feger, früher Verleger und Redaktionsleiter, machte darauf aufmerksam, dass es  in Ehingen Verfolgte des NS-Regimes gab, an die bisher niemand erinnert hat, unter anderem Mitglieder der Glaubensgemeinschaft „Zeugen Jehovas“. -  Seinem Großvater wurde  bereits 1934 das Verlagsrecht für die damals schon hundert Jahre in Familienbesitz befindliche Ehinger Zeitung entzogen. Veit Feger meinte, dass es auch im Rechtsstaat „Bundesrepublik Deutschland“ Vorgänge gibt, die  WIDERSTAND nötig machen; er wies auf die völlig unverständliche, denkbar schlecht gerechtfertigte Abschiebung eines vietnamesischen Regimekritikers am 27. März 2019 aus Nürnberg in sein Herkunftsland hin, ein Land, in dem er 17 Jahre im Gefängnis sitzen musste.

Der junge kolumbianische Cellist Pablo Figueroa spielte eine Sarabande von J. S. Bach.

 Aus den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden, aus der Neuapostolischen und der Freikirchlichen Gemeinde „Arche“ baten Repräsentanten um Gottes Schutz für das Denkmal.

Die zahlreichen Besucher der Übergabefeier erhielten im Blick auf den Namen des Baugebiets und die dort unter anderen  erinnerten Geschwister Scholl und weitere Mitglieder der „Weißen Rose“ (reale) weiße Rosen geschenkt.

 

Der Text auf der Tafel lautet: 

„Sie widerstanden einem Unrechtsstaat.

Die Stadt Ehingen erinnert an diese 

tapferen Frauen und Männer mit den 

Namen der Straßen im Rosengarten:

Ludwig Beck

Eugen Bolz

Dietrich Bonhoeffer

Alfred Delp

Georg Elser

Eberhard Finckh

August von Galen

Rudolf von Gersdorff

Carl Friedrich Goerdeler

Marianne Golz

Willi Graf

Hans von Haeften

Caesar von Hofacker

Kurt Huber

Jakob Kaiser

Maximilian Kolbe

Julius Leber

Wilhelm Leuschner

Bernhard Lichtenberg

Rupert Mayer

Helmuth von Moltke

Martin Niemöller

Friedrich Olbricht

Hans Oster

Adolf Reichwein

Alexander Schmorell

Joannes Baptista Sproll

Hans und Sophie Scholl

Henning von Tresckow

 

gestiftet von Veit Feger

gestaltet von Gerold Jäggle

2019“

 

 

gedenktafel

Der Künstler Gerold Jäggle  hat die Gedenktafel in Ehhingen gestaltet © Veit Feger

gedenktafel menschen

Vor der Gedenktafel, von links: Willi Bauschatz von der Freikirchlichen Gemeinde Ehingen, Stifter Veit Feger, Oberbürgermeister Alexander Baumann, Künstler Gerold Jäggle,  Sprecherratsmitglied Gertrud Graf, Hohentengen, Pfarrerin Lentz von der evangelischen Kirche, Diakon Gaschler von der katholischen Gemeinde Ehingen, Vorsteher Volker Altdörfer von der Neuapostolischen Gemeinde © Hartmann

 

Brief an Else Lasker-Schüler

Auf Siebensternenschuhen - Erste Performerin: Else Lasker-Schüler vor 150 Jahren geboren: 

 Ich folge Deinen Spuren,
neugierig und gewogen
als einer Feder Leichtgewicht
und kratz den Rest
an Goldstaub von den Sternen,
den Deine Hand gestreut, verwischt.

Die blaugestrich’ne Seligkeit
deut’ ich als roter Rosen Signatur
und hoffe gern an Lieb’ zu spüren,
die Deiner Liebe ähnlich nur.

Es grünen zarte Wehen
aus Deinem Sehnsuchtsschrein,
vermählen Mond und Sterne
und alles Engelssein.

Herüber ziehen Klänge
entfacht vom Augenglanz
am Rund des Erdenballes
durch Deinen Schleiertanz.

Hier bist Du aufzufinden,
wo Lust und Lieb vereint,
Friedensfahnen schwingend
ins Ewige gereimt.

 

© Margit Farwig  2000

 

"Vorbilder"

Die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft verlor zwei Mitglieder, um die wir ganz besonders trauern: Zuerst schlief im Alter von 95 Jahren Tuvia Rübner am 29. Juli im israelischen Kibbuz Merchavia ein. Und am 13. September starb György Konrád in Budapest. Als der ungarische Dissident (während der kommunistischen Diktatur) und Schriftsteller 2004 zum XII. Else Lasker-Schüler-Forum nach Prag kam, hatte er seine lebenswichtigen Medikamente vergessen. Die Flughafen-Apotheke gab sie uns ohne Rezept, nachdem ich unser Programmheft gezeigt hatte, in dem Vaclav Havel, der tschechische Präsident, prominent vertreten war. Havel und Konràd diskutierten im Namen von Else Lasker-Schüler, die wie diese Autoren stets für Toleranz, gegen Nationalismus und Antisemitismus eingetreten sind. Es ging thematisch um das Engagement von Dichtern im Dienst an der politischen Sache. Also um ein demokratisches Europa. Und indirekt auch gegen Antisemitismus und Nationalismus.

Das waren auch die Themen, die Tuvia Rübner umtrieben, der an mehreren „Else-Foren“ in Deutschland und Israel teilgenommen hat. Er stammte aus einer deutschsprachigen Familie in Pressburg, Slowakei. Seine Eltern und seine Schwester wurden nach Auschwitz deportiert. Was dort passierte, weiß man. Er konnte sich mit anderen Jugendlichen nach Palästina durchlagen und kam in das Kibbuz Merchavia, wo er Ziegen und Schafe hütete. Der Hirte, der lange auf Deutsch mit seinen ermordeten Verwandten Zwiesprache hielt, wurde ein wunderbarer Dichter, Literaturwissenschaftler und Übersetzer. Tuvia Rübner hatte ein Wiedererstarken der Rechten in Europa befürchtet. Konrád hatte sich literarisch mit dem ungarischen Volksaufstand von 1956, dem Nationalsozialismus und seiner jüdischen Familiengeschichte beschäftigt. Von 1997 bis 2003 war er Präsident der Berliner Akademie der Künste. Der 86jährige verfolgte in letzter Zeit mit wachsendem Widerwillen die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Orban.

Und ich frage: Wo sind die Schriftsteller und Dichter der jüngeren Generationen, die sich öffentlich gegen Antisemitismus und Nationalismus positionieren wie diese verstorbenen Kollegen?

Auf sie trifft zu, was Johann Wolfgang Goethe über den Tod sagte: „Mich läßt dieser Gedanke in völliger Ruhe, denn ich habe die feste Überzeugung, daß unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur, es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit, es ist der Sonne ähnlich, die blos unsern irdischen Augen unterzugehen scheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet.

Konrad

Foto György Konrád © Wikipedia

TuviaRuebner

Foto Tuvia Rübner © Wikipedia

 

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