von Hajo Jahn
(JHV am 8.3.2010 im Zentrum für verfolgte Künste/Kunstmuseum Solingen)
2009 war für die ELS-Gesellschaft ein ganz besonderes Jahr:
Die Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung für verfemte Künste ist intensiviert worden – so gab es einen Vortrag über Else Lasker-Schüler und andere Exilschriftsteller bei einer Ausstellung der Sammlung Schneider im Museum Bayreuth. Nina Hoger rezitierte dort Lyrik und Prosa. Zwar ist die Zulegung der ELS-Stiftung und der Bürgerstiftung noch nicht endgültig erfolgt – das hat formale Gründe – doch geeinigt haben sich die Beteiligten bereits auf eine gemeinsame Satzung und vor allem auf den künftigen Namen: Bürgerstiftung für verfolgte Künste,Else Lasker-Schüler-Zentrum . Kunstsammlung Gerhard Schneider.“
Noch nie zuvor in der bald 20jährigen Geschichte der ELS-Gesellschaft fanden gleich zwei Foren statt: Im März in Berlin und im November in Catania. „Der Strolch vom Kurfürstendamm“, so der Berliner Titel, war keine Anspielung auf den Schirmherrn, den Regierenden Bürgermeister, der am Kurfürstendamm wohnt, sonder ist ein Zitat von Else Lasker-Schüler. Neben Vorträgen renommierter Experten wie Sigrid Bauschinger und Erika Klüsener, Lesungen und Führungen auf den Spuren der Dichterin wurde „Stiefmutterland“ aufgeführt. Das Stück von Gerold Theobalt über Else Lasker-Schüler und Peter Hille hat die Gesellschaft initiiert und finanziert.
Aufgeführt wurde es in der Tschechischen Botschaft, wo auch Nina Hoger mit dem Ensemble Noisten ihren Else-Abend vorstellte. Mit diesen Künstlern waren wir am 11. Februar, dem 140. Geburtstag der Dichterin, im Goethe-Institut Prag. In einer Lesung mit den tschechischen Autoren wurde der Prager Almanach vorgestellt. Unter den mitgereisten Gästen war der Solinger Politiker Bernd Paßmann. Als Fraktionsvorsitzender der FDP in der Landschaftsversammlung Rheinland setzt er sich intensiv für solche Veranstaltungen ein – morgen zum Beispiel im Landesmuseum Bonn. Er ist ein engagierter Unterstützer für das Zentrum der verfolgten Künste und kandidiert heute als Beiratsmitglied für den Vor- stand unserer Gesellschaft. In Prag besuchte er mit mir unser dort wohnendes Ehrenmitglied Adolf Burger.
Unter den vielen Aktivitäten greife ich die Vorträge über Else Lasker-Schüler in der NRW-Vertretung in Brüssel am 30. April und am 11. Juni in Basel heraus.
Eine wichtige Aktion war die Kampagne für die Petition an den Deutschen Bundestag, um das Zentrum gegen Vertreibungen des Bundes der Vertriebenen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Zwar haben wir mit 2.200 Unterschriften das benötigte Quorum von 50.000 grandios verfehlt, was an den hohen technischen Hürden des Internet lag. Doch haben viele prominente Persönlichkeiten für unseren Vorschlag gestimmt, daß es ein politisch korrektes Zentrum geben müßte. Die Vertreibung hat 1933 mit dem Beginn der NS-Diktatur begonnen. 1945 war nur die Folge. Die meisten der Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Gebieten waren Mitläufer und Mitglieder der NSDAP, solange gesiegt wurde. Es ist ein Skandal, dass Steuermillionen für eine Einrichtung gewährt werden, die die Künstler und Intellektuellen außen vor lässt, die Gegner und Opfer der Nazis waren. Unterzeichner der Petition waren u. a.:
Der ehemalige Polnische Außenminister Bartoszewski, der polnische Schriftstellerverband, Elfriede Jelinek, der Vorstand des Deutschen Journalistenverbandes, Bischöfin Maria Jepsen, Norbert Blüm, Rudolf Dressler, Ingrid Bachér und Johannes Gerster, Reiner Kunze, Erich Loest, Sylvia Löhrmann, Friedrich Schorlemmer, Ury Avnery und Jakob Hessing. Ralph Giordano, der einst zu den Vorzeige-Unterstützern der Steinbach-Initiative gehörte, hat seinen Namen zurückgezogen und unsere Petition unterschrieben. Geholfen hat bei dieser Aktion dankenswerterweise Andreas Schäfer.
Avi Primor, Irina Liebmann, Lutz Rathenow, Fritz Pleitgen – nur einige prominente Mitwirkende seien hier genannt, die an der Veranstaltungsserie zum 20. Jahrestag des Mauerfalls hier im Zentrum für verfolgte Künste teilnahmen. Dabei gab es die konzertante Uraufführung des Maueroratoriums von Klaus Rohleder, das wir mit größerer Besetzung, also mit Solisten, in Catania beim 16. Forum wiederholen konnten – auch und dank unseres Mitglieds Monika Fey.- Sie hat mit ihrem Chor – alles Amateure – in harter Arbeit die Texte einstudiert. Ohne Frau Fey und die „FeynenTöne“ wären die kleine und die große Uraufführung in Solingen bzw. in der Universität von Catania nicht möglich gewesen. – Die Arbeit mit und für junge Menschen war und ist uns wichtig. So auch 2009:
Etwa 500 Schüler erlebten in Lesungen und Diskussionen die Teilnehmer der „Mauer-Veranstaltung“ – Schriftsteller, die das DDR-System am eigenen Leibe kennengelernt haben und zu den Widerständigen zählten. Organisiert wurde dieses Schulprojekt in Wuppertal, Remscheid, Solingen und Velbert von Ulrike Müller – auch ihr vielen DANK.
Dank gebührt ebenfalls Rolf Jessewitsch und Susanne Vieten mit ihrem Team hier im Museum, die uns stets freundlich und hilfsbereit unterstützt haben.
Danke möchte ich auch allen Vorstandsmitgliedern, ich nenne stellvertretend besonders Schatzmeister Klaus K. Otto, denn ihm mache ich die meiste Arbeit -. Ohne ehrenamtliches Engagement mit vielen Freizeitstunden würde auch die ELS-Gesellschaft nicht existieren. Daß wir in 2010 vier ELSG-Briefe herausgeben konnten und ein 2-sprachiges Magazin zum Forum in Catania, gehört zu den Leistungen, die ohne einen Vorstand nicht denkbar wären – einem Vorstand, in dem Heiner Bontrup erwähnt werden muss, weil er für die ELS-Gesellschaft und ihre Foren inzwischen sogar eigene Stücke schreibt. Last but not least danke ich Ihnen, den Mitgliedern. Denn auch ein Literaturverein ist nichts, wenn er keine Sympathisanten hat.
Ein kurzer Ausblick auf 2010 sei gestattet, das 20. Jahr unseres Bestehens:
Der Exil-PEN stellt aus Anlass seines 75jährigen Bestehens seine Jubiläumsanthologie hier mit einer Autorenlesung am Mittwoch, d. 17. März um 20 h vor.
Eva Mattes gestaltet einen Abend mit Texten verfolgter Autoren am Sonntag, d. 18. April. Und Angela Winkler wird Lyrik großer deutscher Dichterinnen in einer Matinee am Sonntag, d.13. Juni rezitieren.
Höhepunkt dürfte das 17. Else-Lasker-Schüler-Forum vom 3. Bis 10. Juli in Tel Aviv werden. Anlass ist vor allem das 65. Todesjahr der Dichterin. Wenn alle Förderanträge bewilligt werden, dürfte es eine interessante Veranstaltung werden. Titel. „Mein hebräerland. Die europäischen Wurzeln Israels“. Prominente israelische und deutsche Autoren, Wissenschaftler sowie Künstler aus beiden Ländern haben bereits zugesagt.